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AN GUSTAVE FECHT

   

[Anfang August 1803]     

Sie haben mir meine theuerste Freundinn keine so genaue Rechnung über die Anwendung der kleinen und bescheidenen Summe schicken sollen, die Sie für eine arme und ehrliche Familie benuzt haben. Es war alles Ihrer völligen Disposition überlassen. Aber darin haben Sie meinen Sinn und Wunsch vollkommen getrofen, daß Sie das Geld nicht an viele zersplittert haben, und Sie haben weise und edel gehandelt, daß Sie lieber der gegenwärtigen Noth iener Leute mit einer erfreuenden Gabe entgegenkommen, als für die Zukunft sorgen wollten, für die Gott auch sorgen wird. — Sehn Sie wie mir die kleine Abgabe so schnell vergolten wird. Die Allemannischen Gedichte tragen mir noch 150 gefundene Gulden ein, die mir Maklott anbietet für die Erlaubniß, eine zweite Auflage von 750 Stück auf seine Kosten zu veranstalten. Ich lege etwas davon als Beytrag zu dem Lehrgeld für den Knaben zurück, woran ich Sie Ihre Ansprüche zu seiner Zeit bitte geltend zu machen.

Die allem. Gedichte haben mir über 600 Gulden eingetragen. Aber einen Theil davon bedurfte ich, Schulden zu bezahlen, und etwas zerrann im frölichen Leichtsinn. Ich werde so arm bleiben und sterben, als ich mein Lebenlang war. Ich brauche immer ungefähr so viel als ich habe. Noch größer ist die Ehre die ich von diesen Liedern habe. Es waren berühmte sächsische Gelehrte in Heidelberg, die ihnen, ob sie's gleich nur halb verstehen können, großes Lob beylegen, und große Stellen auswendig deklamirten. Einer davon Namens Tieck, der dermalen in der gelehrten Welt großes Aufsehen macht, will sie sogar übersetzen. Ein neues Stück habe ich Hn. Prof. Jakobi in Freyburg für die Iris zugesendet. Unter denen, die Ihnen wie Sie mir schreiben, besonders gefallen haben, hätten Sie mir auch das Spinnlein loben sollen, welches mein Lieblingsstücklein ist.

Sie fragen mich, ob H. Snell wegen E[berhard] selber an mich geschrieben habe. Das hat er nicht, sondern ein ehemaliger Schüler von mir Namens Peterson, der dort als Lehrer steht, erkundigte sich bey mir. Ich schrieb ihm, daß H. Snell die früheren Verirrungen des Jünglings nicht werde von mir zu wissen verlangen, und meldete ihm besonders von dem Aufenthalt des E. in Obersteinach was ich mit Freundschaft und Gewissen gutes melden konnte. Daß er noch in Nion ist, werden Sie wissen. Selber hat er nicht an mich geschrieben. Aber Nüßlin schrieb mir diese Woche von Genf aus, daß er bisweilen mit ihm und Peterson zusammenkomme. Sehn Sie, wie mich der Zufall in der Bekanntschaft mit seinem Schicksal erhält, auch wenn ichs nicht suche. Ich hoffe, daß der Umgang mit diesen 2 wackern Jünglingen einen guten Einfluß auf ihn haben werde, und sehe es schon als ein gutes Zeichen an, daß er noch in Nion ist. Aber was sie mir von Wilhelm schreiben, hat mich um Ihrer aller, besonders um Ihrer guten Mutter willen sehr angegriffen. Möge der Himmel ihn bald zur Einsicht bringen, und ihm dann einen Weg zu einem bessern Schicksal zeigen.

Ich habe vor 14 Tagen eine fröliche und, mit Erlaubnis eine liederliche, und vielleicht eine wichtige Woche durchlebt. Ich habe vor 3 Jahren meinen zuverlässigsten Freund durch den Tod verlohren, aber ich habe einen ändern von ihm geerbt, mit dem ich schon lange correspondire und den ich iezt auf einer kleinen Reise, die er nach Astrakan macht zum erstenmal sah. Werden Sies von Ihrem solid gewordenen Freunde glauben, daß wir beym Abschied in Bruchsal, nicht in unserm Gasthof, sondern in einer armen Weinkneipe, wo wir abends um 5 1/2 Uhr einkehrten, bis 2 Uhr sitzen blieben. Aber früh um 8 Uhr war ich wieder auf meinem Platz. Und als Bruchsal illuminirt wurde, fuhr ich um 8 Uhr Abends hier weg in der Hofnung ihn noch anzutrefen, war von 11 - 2 in Bruchsal und las um 7 Uhr hier wieder ein Collegium. Und werden Sie mir glauben, daß ich außer seinem Namen nicht eigentlich weiß, wer noch was er ist, noch weniger was er in Asien, am Caspischen Meer zu thun hat, ob ich gleich zur Fortsetzung unserer Correspondenz die Adresse von ihm nach Leipzig, Berlin, Königsberg bis Petersburg habe. Es gibt wunderliche Verbindungen unter den Menschen in der Welt.

Sagen Sie doch dem H. Pfarrer, wenn ers noch nicht weiß, daß er im Consistorium gegen die Cammer, die ihn um einige Besoldungsartikel anfechten wollte, gesiegt habe, und zwar durch den G. R. Brauer.

O wie ists so heiß, und ist weit und breit keine Wiese da, kein Teich, und kein Capitelgarten, in dem man zur Abkühlung von Mittag lUhr bis Nachts in der Sonnenhitze kegeln könnte. Ich gehe iezt zu Drechsler setze mich mit einem Krug Bier in einen Winkel, rede mit keinem Menschen ein Wort, und denke an Weil. Bleiben Sie gesund und gut

Ihrem redl. Fr.   H.    

An die Frau Caroline und an den H. Tobeis meinen herzl. Gruß.

 

 

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ein neues Stück: das Gedicht „Der Abendstern".
meinen zuverlässigsten Freund: Wilhelm Engelhard Sonntag.
einen anderen von ihm geerbt: Hubertus von Harrer.
Capitelgarten: Garten des Kapitelhauses (Pädagogiums)
in Lörrach, Güntterts ehemaliger Dienstwohnung.

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