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AN GUSTAVE FECHT

   

Theuerste Freundinn!

Ich möchte wünschen, daß Sie gut überwintert hätten. Aber wie wirds seyn? Ich denke mir Ihre Unruhen, die schreckensvolle Nacht der Feuersbrunst, die Folgen derselben auf Ihre Gesundheit, und mancherley, und theile so oft ich an Sie und Ihre Lieben denke, das Gefühl einer solchen Lage mit Ihnen, ohne Ihnen etwas von dem Ihrigen abnehmen zu können; doch das glauben Sie wohl selber. Wozu also die Widerholung des Vergangenen in klagenden Litaneyen.

Wie mir der Winter vergieng? Unter Geschäften, die meine Zeit mäßig, und ordentlich und großentheils angenehm ausfüllten, ganz gut. Unser disiähriges Examen wurde durch die fast beständige Gegenwart des H. Marggraven und Erbprinzen splendider als gewöhnlich. Sie waren [bei] mir in 3 Lektionen; die Examina dauern gewöhnlich 7—8 Tage, und vom Freytag an, wo sie anfangen, bis zum nächsten Mittwoch werde ich nie frey. Das ist eine unangenehme Zugabe am Ende des halben Jahres. Dafür habe ich mich dismal vom Predigen frey gemacht, und gehe nun morgen — wohin? Wieder auf den Tobel. Ich habe noch Revange bei dem Stiefvater des Wirths daselbst zu holen, der mir das lezte mal nur Kreuzerweis einige Gulden im Spielen abgewonnen hat. Er ist ein alter Schalk; aber dismal werde ich neue Charten von hiermitnehmen. Machen wir Moddie?

Ich bitte Sie Ihrer lieben Frau Mutter mich bestens zu empfehlen und mich bey derselben zu entschuldigen, daß ich ihr dismal nicht unmittelbar schreibe. Ich wollte gern die alten Briefschulden in Ihrem Hause einmal abtragen, und mag das Paket nicht zu dick werden lassen. Den lezten Brief mit der Anweisung an Herrn K. R. Vierordt habe ich erhalten und das Geld bereits empfangen. E.[berhard] hat mir bisher noch nicht wieder geschrieben. Doch erwarte ich nun einen Brief von ihm, indem ich ihn wegen einer Tukeley, die noch auf ihn herauszukommen scheint, um Auskunft befragt habe. Doch betrift es nichts, was seine Mutter in Verdrießlichkeit setzen, oder weitere Ansprachen und Zumuthungen an sie veranlassen könnte.

Auch bey Ihrer Frau Schwester werden Sie mich entschuldigen müssen. Sie wird am Ende ihres Briefleins sehen, daß es noch am Ausgang des Winters geschrieben ist. Das Examen kam dazwischen. Ich möcht wohl ein andres an sie schreiben, aber es ist mir lieb, wenn sie sieht, wem sies zu verdanken hat, daß der Winter aufgehört hat, und daß man nun wieder in die Gärten gehen kann.

Ich wünsche Ihnen gute Gesundheit, und einen heitern Muth und Ihnen allen, die unter der iammervollen Plage des Krieges leiden*), Friede, Friede!

Leben Sie wohl, verehrteste Freundinn! Seyen Sie meiner beständigen aufrichtigen Hochachtung versichert, und gönnen Sie Ihre fernere Gewogenheit

Ihrem ergebensten Fr. u. gehor. Dr.     J. P. Hebel        

d. 7. Apr. 1800

 

 

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*) Durchgestrichen folgt: "und bis auf's Blut und Mark gepreßt sind".

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