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AN GUSTAVE FECHT

   

[Ende April 1799]       

Vielleicht, verehrteste Freundinn, nehmen Sie es nicht übel, wenn ich auch in einem Schreiben an Sie, mich für den kurzen Aufenthalt in Weil durch fortgesezte Unterhaltung in der Ferne einigermaßen schadlos halte. Ich will Ihre gutmüthige Duldung nicht mißbrauchen.

Von Lörrach biß nach Bühl hatte ich einen freundlichen iungen Metzgerknecht zur Gesellschaft, den ich gerne zu mir nahm, ob ich gleich noch lieber allein gewesen wäre. Allein ich war doch die meiste Zeit so gut als allein und dann auch wider froh, daß ich mich mit iemand unterhalten konnte.

Im Mülheim, wo ich über Mittag war, erblickte ich Ihren guten H. Onkel, der eben über die Matten kam von einigen Männern begleitet um vermutlich einen Spatzirgang zu machen. Ich sprang geschwind vom Essen hinaus, um ihn zu begrüßen, worauf derselbe mit mir in das Wirthshaus gieng, und bis zu meiner Fortreise bey mir blieb. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie angenehm mir dieses war. In Emmendingen, wo ich Nachtquartier machte, wurde mir noch eine hiesige Weibsperson mit einem saugenden Kind aufgeladen, die ich nicht kannte, aber fast für zweideutig hielt. Da der Akord mit dem Fuhrmann gemacht war, daß er auf der Rükreise Personen zu seinem Vortheil mitnehmen konnte, so mußt ichs wohl geschehen lassen und gönnte ihm diesen Schick. Aber ich schämte mich ein wenig, wenn ich ein- und ausstieg und war in Verlegenheit, wenn ich mit ihr in die Nähe von K.-R. käme, zumal da ich ihr nicht einmal die Diskretion zutrauen durfte, daß sie vor der Stadt aussteigen würde. In Rastadt, wo ich den dritten Vormittag anlangte, kam ich noch unbesehn und unbeschrien aus der Chaise, gieng zum Schein ein wenig in die Stadt, kam dann wieder und sagte dem Fuhrmann, daß ich in Rastadt bis auf den späten Abend Geschäfte hätte, vielleicht über nacht bliebe; er solle also nur heimfahren, machte mich aber, weil ich in Rastadt nichts zu thun wußte, sogleich auf den Weg. Nach Durmersheim getraute ich mir wohl zu kommen, ehe er mich einholte. Dort gieng ich in ein Wirtshaus, bis die Chaise vorbey wäre, und aß zu Mittag; nach einer halben Stunde kam sie, worauf ich ihr gemächlich nachschlenderte und zur Nachtessenszeit in CR. ankam. Wenn Sie mir die Ehre anthun sollten, mir zu antworten, so dürfen Sie mir doch nicht blos: guter Freund oder so etwas, sondern großachtbarer Freund schreiben, denn ich traf bey Sander einen Brief von Jena mit einem Diplom an, worin mir die dortige mineralogische Gesellschaft bekannt macht, daß sie mich zu ihrem Ehrenmitglied ernannt habe. Das war eine Schadloshaltung für mein Ehrenmitglied das ich auf der Reise hatte. Bringen Sie mirs aber nicht aus! Für's erste weiß ich nicht, wer die Person ist, und thue ihr vielleicht Unrecht, und für's andre werde ich hier schon genug ausgelacht, weil ichs an einigen Orten erzählt habe. Ich begreife meine Stimmung nicht mit der ich in mein Zimmer trat. Anno 96, als ich aus dem Oberland kam empfand ich mich sehr mißmuthig in meiner einsamen Klause, biß ich wieder dran gewöhnt war. Dißmal ward es mir beim ersten Eintritt wohl, herzlich wohl und leicht. Etwas mags dazu beitragen, daß es dißmal auf meinem Zimmer besser aufgeräumt war, und also freundlicher aussah. Seitdem arbeite ich den ganzen Tag und bis Dienstag geht ein Theil der gewöhnlichen Geschäfte wieder an. Es scheint mir, die Reise sei meiner Gesundheit vortheilhaft gewesen, aber ich befinde mich immer am Ende der Ferien besser als am Ende des halben Jahrs. Der Himmel erhalte Sie gesund und gebe Ihnen viel Freude.

Seien Sie meiner aufrichtigsten und unwandelbaren Hochachtung versichert     H.

 

 

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