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AN GUSTAVE FECHT |
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[ Ende August 1799]Wie sind Sie so gut, theuerste Freundinn, daß Sie an meinem Wohlseyn so viel Antheil nehmen. Es ist mir leid wenn ich Sie durch den Ausdruck „wenns etwas nuzt" zu Besorgnissen veranlaßt habe. Rechnen Sie etwas auf die Mißlaune, die einen Schulmeister und Eremiten wohl bisweilen befallen kann, und überzeugen Sie sich, daß es nicht so schlimm war, wenn ich Ihnen sage, daß ich in keinem Bade gewesen sey. Man darf sich nur etwas recht fest vornehmen, wenns nicht geschehen soll. Den Tag eh' ich fortwollte fiel mir ein, ein hoher Berg sei lieblicher als ein feuchter Badkasten, und reine frische Luft gedeihlicher als warmes Wasser, und stille Beobachtung der ländlichen Menschheit interessanter als ein Gewühl von 400 Badgästen und 20 fl. weniger, als 60 oder 80. Ich schnallte also den ändern Morgen kurz und gut den Mantelsack auf mein Rennthier, das sich von den ändern Rennthieren darinn unterscheidet, daß wir auf unsern Reisen neben einander gehen, daß es statt Moos Weißbrod frißt, und statt Schneewasser Wein sauft, und catholischer Religion ist. Mittags 12 Uhr waren wir auf dem Tobel. Sehn Sie daß es nicht so arg ist? 6 Stunden in einem Vormittag, bergauf, will etwas sagen. Tobel ist ein hoher Berg hinter Frauenalb, mit einem Wirtenbergischen
Pfarrdorf, das ein sehr wohl eingerichtetes Wirthshaus hat; auf 3 Seiten
dunkler Tannenwald umher, auf der 4 ten eine freie heitere Aussicht über
den Rhein. Hier wollte ich alle Morgen Ich glaube gerne, daß die gute Gegend in der Sie leben unter den gegenwärtigen Zeitumständen hart leidet und daß Sie viele Unruhen haben. Ich dachte oft an Sie und die Ihrigen auf dem Tobel und hier, und wünsche herzlich, daß die Ruhe und ungestörte Freude bald zu ihnen zurückkehren möge. — Wenn wieder einmal eine meiner Predigten sollte gedruckt werden, so sey hiemit der Erlös zum Voraus Ihrer wohlthätigen Hand zur Verwendung an Ihre Armen zugesagt. Hr. Pfarrer Schmidt war einige Tage hier, aber ich konnte sein wenig genießen. Wohl sehne ich mich schon lange, und immer, und oft sehr lebhaft nach einer Landpfarrey, und nach dem stillen Wohlseyn, das ich dort träume. Aber es gehört auch zu dem, was man sich vornimmt, und die Schwierigkeiten mehren sich, statt sich zu mindern. Daß mir das Schicksal während des Krieges das bisher so sichere Carlsr. zum Aufenthalt angewiesen hat, erkenne ich als einen großen Vortheil, und ich könnte hier ruhig und zufrieden seyn, wenn nicht die Noth so vieler Tausende rings umher, und unter ihnen so vieler guten Menschen und Bekannten und Freunde, schmerzhafte Theilnehmung forderte. Leben Sie wohl! Ich bin mit der aufrichtigsten Hochachtung Ihr ergebenster u. gehorsamster Dr. H.
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mit der Gesellschaft des Pfarrers: Pfarrer in Dobel
war
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