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AN GUSTAVE FECHT |
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Theuerste Jungfer Gustave! [27. März 1796] Ihre Frau Schwester wird wohl nicht wissen, obs Ernst
ist oder Spaß — mit der Verpfändung? Nein — damit ist's Ernst. Aber mit
dem Bären mein ich. Wenn ich metzgen könnt, so war auch das kein Spaß,
aber ohne Metzg' kommt bey der Wirthschaft nichts heraus. Man sollt' in
seiner Jugend keine Gelegenheit versäumen zu lernen, was man kann. Ich
hätt' dem alten Senn, dem Bluthund, in den 80iger Jahren manches absehen
können, vis a. vis vom Grether hab ich nichts gelernt, als wie man breit
und auf die rechte Seite hängend mitten auf die Straß stehn, und in die
Ferne hinausschauen muß, wenn man ein Kälblein erwartet, und wie man kein
Stücklein Veech vorbeylassen darf, wenn man ein rechter Metzger sein will,
ohne ihm an den Was den Lapsus anbelangt, den Sie meinem Gedächtnis Schuld geben wegen dem rothen Faden, so thun Sie mir Unrecht. Zwar will ich mein Gedächtnis nicht so weit in Schutz nehmen, daß ich nicht manche Kleinigkeit schon vergessen hätte; aber nicht alles ist eine Kleinigkeit, was so scheint, und ein rother Faden ist ein rother Faden. An einem Samstag Nachmittag hab' ich ihn Ihnen gegeben, oben, am Fenster gegen die Gasse. Sie standen mit dem Rücken gegen dem Fenster und ich mit dem Gesicht. Ists nicht so? Also sehen Sie, daß ich nichts vergessen habe. Aber ich hätte den einen nicht so gutwillig hergegeben, wenn ich nicht noch einen gehabt hätte!!! Jezt hab ich weder Faden noch Nadel mehr, und dis allein wäre schon Ursache genug gewesen, von der Schneiderzunft wegzuziehen. Daß Sie so spät angefangen haben zu spinnen, glaub' ich gerne. Jede fleißige Spinnerinn fangt spät an, damit sie sich nachher recht schicken kann. Daß Sie bis Weihnachten schon so viel Stränglein hatten, glaub ich widerum. Sie werden klein genug seyn. Oder hat Ihnen der Engel geholfen? Es gibt ein Stück, wenn ein Engel spinnt. Nicht wahr Nachts steckten Sie eine leere Spuhle an und am Morgen war sie voll? Da haben wirs! Schneit's denn auch hübsch ordentlich bei Ihnen? — Ich habs sonst lieber wenn am Ostermorgen die Luft recht still und heiter ist, und die Sonne geräuschlos und freundlich aufgeht, und die ganze Natur mit den lieblichsten Reitzen, die die Jahreszeit verstattet, den lieben Morgen feiert. Ich kann mir dann so lebhaft vorstellen, und's so innig fühlen, wies dem edlen Sohn Maria so wohl ward, als er aus dem Grabe kam, und im neuen frohen Leben, die Schönheit der Natur um sich her wider erblickte, den schönen blauen Himmel über sich, den ersten Strahl der Morgensonne, den sie ihm zum Gruß schickte, und als er den balsamischen Morgenduft wieder hauchte. Am selbigen Sonntag früh hats gewiß nicht geschneit. Auch mein' ich, ich fühls schon, wenn ich aus der finstern Kammer in die Stube trette, und die Sonne schon so lieblich hereinscheint, wie's unser einem seyn wird, wenn wir auch einmal aus dem langen Schlaf aufwachen, und aus der finstern Kammer hervor gehen. Es soll alsdann gar eine milde liebliche Luft, und ein milder blaulicher Schimmer uns umgeben in der Urstend, wie Dr. Luther vermuthet. Doch das wird Ihnen der Engel alles besser gesagt haben. Ists etwa gar der gewesen, der dabey war selbigen Morgen? Es ist eine Untugend an mir, daß ich immer tiefer hinein fahre, mit den Zeilen. Ich könnt immer ein paarDuzend Worte mehr schreiben, wenn ich auch gleichlings anfienge. Damit wäre Ihnen vielleicht nicht gedient, aber mir! Es geht mir beym Schreiben mit den Zeilen, wie beim Hanfreiteln mit den Enden, denn — wie nennt man sie denn die Dinger, die man von den zerknikten Stengeln losscheelt? Sie haben glaub ich, gar keinen Namen. Hämpfeli Werch nennt man sie wenn ein Finger voll beysammen ist — nicht wahr? Es geht mir bald wie ienem Lafflör, der eine Zeitlang in Frankreich war, und dann seine Mutter fragte, wie man im Deutschen einen Karst nennt. Adieu theuerste Jungfer Gustave! Geben Sie wohl acht, daß Sie sich nicht verkälten an den Füßen bey dem garstigen Schnee, sonst müsen die Zähne dafür büßen. Ihr aufrichtiger Freund und gehorsamster Dr. Hebel
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'nehm den Bären in Bestand,
wer will': Bei der Verpfändung |