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AN GUSTAVE FECHT

   

Theuerste Jungfer Gustave!                                Carlsruhe, den 15. August [1795]

Wie gesagt, in Kalmbach faßte ich den Entschluß, an Herrn von Röder ein Mameluck zu werden. Daß wir noch miteinander in Wildbad waren, hab ich, glaub ich, der Frau Prorektorin geschrieben. Als Herr von Röder fort war, hielt mich der Regen noch 24 Stunden in Kalmbach auf, die ich bey der Frau Rößliwirthin und den ab und zugehenden Gästen sehr erträglich zubrachte. Den andern Abend gieng ich wieder das artige Tal hervor bis Neuenbürg, sonst ein übelberuffenes Städtchen, das aber, weil es vor 12 Jahren abgebrannt war, und folglich neu gebohren wurde, iezt ganz artig aussieht. Doch Sie sind vielleicht von Pforzheim aus, da es sehr nahe ist, selber schon drinn gewesen. Wenigstens ist mirs so vorgekommen, wie ich hineinkam, als wenn Sie auch schon müßten dagewesen seyn.

Weil ich nun noch nie in Pforzheim gewesen war, so wich ich ihm aus Eigensinn auch diesmal aus und schlug mich lieber über das Gebürg nach Langenalb, wo ein alter Freund von mir Pfarrer ist. Da blieb ich 4 Tage, genoß bei besserem Wetter wieder einmal die Freuden des Landlebens, und fühlte, wie feind der Himmel einem Menschen seyn muß, den er zum Schulmeister und in eine Stadt verdammt hat. Langenalb liegt auf einem länglichen, etwas in der Mitte vertieften Rücken eines Berges, die Mitte ist lauter Wiesengrund. Auf der einen Seite hinab stehn in einer langen Reihe die Häuser und auf der ändern Seite der Wiesen ein etwas aufsteigender schwarzer Tannenwald, hinter welchem der Vollmond in der Abendkühle gar lieblich auf gieng, und die iungen Möndlein auch. Am Freytag begleitete mich der Pfarrer nach Frauenalb, weil wir auf der Hinreise nur schnell durchgegangen [waren]. Dißmal aßen wir da zu Mittag. Es ist mir lieb, daß das Closter und die Abtey und die Kirche und der Garten, und alles, so gemein war, daß mir St. Blasien den ganzen Tag mit keinem Gedanken einfiel. Erst das Thal, durch welches ich gegen Abend längs der Alb einsam nach Hause wandelte, erinnerte mich auf dem halben Weg an die Heimfart von St. Blasien. Da übte ich mich bis Ettlingen in der schweren Kunst, mit Gleichmuth an verlohrene Freuden zu denken. Doch konnte ich mich nicht enthalten, der Alb ein paar mal zu sagen, daß mich die Wiese viel fröhlicher sah — und daß die Waldkinder dort oben gar ein bequemes Mittel haben, ohne Steg durch das Wasser zu kommen.

Eine Stunde von Carlsruhe kam ich noch in eine gute Schütte, wie man im Oberland sagt, fand mich zu Hause ein paar Tage lang gar heiter, wohl und gesund, aber 8 Tag lang Carlsruher Hundstagluft und Arbeit von Sonnenaufgang bis in die sinkende Nacht hat mich wieder auf der Stelle curirt. Ich denke iezt im Ernst daran, oder wünsche wenigstens mit Ernst bald auf eine Pfarrey zu kommen; aber ich sehe nicht, wie es vor zwey Jahren ohne Nachtheil geschehen kann — wenn ich nicht etwas anstelle.

Aber daß ich Sie theure Freundinn, noch nicht einmal gefragt habe, wie Sie sich befinden? Ich hoffe wieder wohl! Bald wärs ia sonst ein Jahr, seit der unfreundliche Herbst für ein paar einfältige Trauben, sich so unartig an Ihnen bezahlt gemacht hat. Der künftige soll die Bosheit seines Bruders wieder gut machen und Ihnen recht schöne Tage, süße goldene Trauben, einen freundlichen Herbstschreiber und vor allem dauerhafte Gesundheit bringen. Aber ich habs schon bei ihm bestellt, wie er den Durlacher Rebberg vor der Hand visitirte, daß er Ihnen keinen einzigen Gutedel soll zeitig machen, bis Sie mir geschrieben haben. Sie werden ohnehin bald Stoff genug zum Schreiben bekommen, wenn die Kriegsoperationen droben angehn. Aber überlassen Sie das dem Vetter Tobeis und schreiben Sie mir etwas andres, vom Garten, vom Immenstand, von Haus und Hof, vom Efersinli, von der Hanferndte. So wildes Mordkriegsgetümmel ist nicht werth, von Ihrer sanften Hand beschrieben zu werden.

Kaum hab ich das Herz, Ihnen zu sagen, daß wir unaufhörliche Truppenmärsche hier haben, vorige Woche 11 Bataillons Grenadier auf einmal, gestern 12 Bat. Musketiers und diese Woche nach 53 Eskadrons Kavallerie und 10 Komp. Jäger. Alles geht über den Rhein. Wenn sie nur da blieben. Sie kommen doch wieder, was nicht ins Gras beißt. Wurmser ist auch wieder da. Den Herrn Special werden Sie bald verlieren, sagt man. Man sucht den Herrn Pf[arrer] von Krenzach zu disponiren, daß er das Specialat annehme. Nur hat's noch Schwierigkeiten. Soll er nach Lörrach ziehen? Das wird er nicht wollen. Soll das Specialat nach Krenzach verlegt werden, das wird mit Unbequemlichkeiten verbunden seyn. Seine Frau soll sehr geneigt seyn. Aber alles im Vertrauen. Die Sache wird geheim betrieben; ich weiß nicht, warum. — Gestern hab ich gepredigt, diß Jahr erst zum dritten mal. Aber meine besten Kunden waren im Lager und im Bad. Die Stühle hingegen und die Orgelpfeifen sind gar aufmerksam gewesen. Geht die Weiler Orgel gut? Kanns der Schulmeister? O, das lose Papir ist schon voll! Ich könnt Ihnen auf dem größten Realbogen nicht genug sagen, wie sehr ich Sie ehre und schätze und wie klar es mir aus der Seele geht, wenn ich mich nenne

Ihren wahren Freund und Diener     Hebel        

Unter uns gesagt — mit dem Pfarrer in Krenzach ist's nur Spaß; wenn sich aber der Herr Vogt drob wundert und allenfalls ein wenig ärgert, so gestehn Sie's ihm nach einer Stunde oder Morgen früh nach dem Kaffe.

 

 

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