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AN GUSTAVE FECHT

   

10. März [1795]         

Nur auf ein paar Worte, theuerste Jungfer Gustave; sozusagen nur durchs Fenster hinein. Aber nicht mit dem verzogenen Gesicht, wie ichs vor einigen Monaten Ihrer Frau Schwester gedroht habe, sondern mit einem recht freundlichen und — glauben Sie mir's! bey aller Freundlichkeit mit einem recht kläglichen Gesicht, wie es sich zu Ihrem leidigen Zahnweh und zu meinem theilnehmenden Herzen schickt. Ich bedaure Sie recht in der Seele gute Dulderinn! So einen unfreundlichen Winter hindurch auch noch täglich diese Schmerzen zu leiden, mus ein verdrießliches Daseyn seyn. Und Sie wären eines fröhlichen schmerzenfreien Daseyns so werth! Wenn ich Ihnen nur auch etwas zuzusprechen wüßte. Aberwas ist da zuzusprechen als die leidige und doch so nöthige Gedult, an die sich Ihr milder Sinn ohnehin schon lange gewöhnt hat. Wissen Sie's, daß ich dem ungebehrdigen Herbst, der Ihnen das leidige Andenken hinterlassen hat, keinen Dank für allen seinen Wein mehr habe, und daß mit meinem Willen kein Tropfen von seiner Leyerbrühe in meinen Keller kommen soll, wenn es dem Himmel gefallen sollte, mir in diesem Leben auch noch zu einem eigenen Keller zu verhelfen. Was mir der Adlerwirth in Knielingen, und der Posthalter in Durlach auftischt, muß ich freilich annehmen, ohne zu fragen, welches Jahrgangs Kind es sey. Haben Sies denn noch nicht versucht, den unsaubern Geist mit Tabaksrauch auszubieten, weils doch von Fluß und Feuchtigkeit zu kommen scheint? Singeisen würde Ihnen schon mit einer Pfeife voll bedient seyn. Der Einnehmer in Lörrach raucht auch guten, wenn ihn etwa das Resli im Schwanen bei einem S[ch]öppichen antreffen sollte, und einen köllnischen Pfeifen Stumpen hab ich noch in der oberen Stube hinter dem Spiegel stecken, wenn ihn niemand zerbrochen hat. — Sie brauchen mich nicht auszulachen, ich weiß wohl, daß das Resli nicht mehr bey Ihnen ist. Sein Namen gefallt mir eben wohl.

Sie werden nicht meinen, daß ich alle Tage um gut Wetter für Sie bette. Heut duftet und regnet es schon wieder, und ist so kalt und unfreundlich. Bleiben Sie ia in der warmen Stube, beste Jungfer Gustave! Setzen Sie sich an kein Fenster, auch nicht zu nahe an den Ofen, halten Sie Hand und Füße trocken. Die Frau Pfarrerinn wird schon im Hof und in der Küche sorgen. Graben Sie nicht an den Zähnen; essen Sie nicht zu heiß! Das kalte verbietet sich von selbst. Sie werden das alles selber wissen und in Acht nehmen. Ich glaub es wohl. Sehen Sie aber meinen Rath als einen Beweis an, wie unruhig ich bey Ihren Schmerzen bin, und wie sehr ich wünsche, Sie bald davon befreit zu wissen. Bescher uns Gott einen baldigen guten Frühling! Wenn lauter so gute Seelen auf der Welt wären wie Sie, so sollts eigentlich immer Frühling seyn. Die Frau Pfarrerinn wärs auch zufrieden. Aber wir andern bösen Leute sind Schuld daran, daß es manchmal so kalt wird, und wieder so heiß, und daß es manchmal biß in den April hinaus hurnigelt. Was der Himmel gutes und liebes für die Erde abgeben kann, sei Ihnen beschert. Leben Sie wohl! Ich bin

Ihr aufr. Freund und Diener      Hebel       

Viele Empfehlungen an Ihre gute Frau Mama u. d. Hn. Günttert.

 

 

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