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AN GUSTAVE FECHT

   

Beste Freundinn!                                                     C. R. den 8. [9.] Mai [1794]

Da sinn ich hin und her, ob ich denn nicht auch einmal während eines recht kraftvollen Donnerwetters in Ihrer lieben Gesellschaft gewesen bin oder ob uns nicht gar irgendwo so ein blitziger Himmelsgruß auf einem Spazirgang überrascht und nach Hause geschickt hat. Wohl erinnere ich mich des frohen Abends, wo uns im Jagdwagen der Blitz von St. Blasien heimgeleuchtet und der Donner den schlaftrunkenen Günttert eingewiegt hat. Aber das war Kleinigkeit, den Mäusen gepfiffen war es gegen dem, wie es jetzt wettert und über die Dächer herabhagelt. Sie sollten's nur sehen, wie es an dem schwarzen Himmel herumzuckt und wie mir der Glast über das Papir herfahrt und wie es tobt und rasselt oben im Himmel und unten auf Erden und wie die Hagelsteine auf den Dächern in die Höhe fahren. Es konnte mir fast angst werden, wenn ich nicht zu gutem Glück an Sie schriebe. Aber während ich mich mit einer so lieben, frommen Seele beschäftige, wird doch der Himmel hoffentlich keinen Unwillen an mir ausüben. Wie wohl ich doch nicht weiß, ob's so ganz richtig ist. Denn ich erinnere mich eben, daß die gute, fromme Seele selber nichts gutes träumt, wenn sich der Himmel in so finstere Falten zieht und uns arme Erdenkinder so mächtig anschnaubt. Helf uns Gott. Wir sind eben arme Sünder und unsre Mütter haben uns in Sünden empfangen. Lieb Mama werden's nicht übel nehmen; die meinige hat mir's mehr als einmal gestanden und mir oft vorausgesagt, es werde mir mein Lebtag nachgehn. Aber sie sagt' es auch nur dem König David nach, der bekanntlich bisweilen durch's trübe Glas guckte, wenn ihn die königlichen Grillen plagten.

Was ich Ihnen wieder unnützes Zeugs schreibe. Aber kann ich etwas dafür, daß es hier so alltagsmäsig zugeht, daß ich Ihnen nichts neues schreiben kann, oder daß sie wenigstens nichts was in C.-Ruhe neues geschieht, besonders interessirt? Ein neues Sp[iel] hab ich gelernt. Sie können iezt auch am räthselhaften Sp. raten. Halb Zwölf heißts. Ihr Herr Stabsoffizier wird's Ihnen schon erklären können, wenn er noch bey Ihnen ist. Vielleicht ists gar das nemliche, was Sie Abends anstatt des anderen Sp. zu Ihrer Beschäftigung machen. Wenn Sie mit dem einen Sp. soviel profitiren, daß Sie das andre in Verding geben können, so sparen Sie wenigstens das H. dabey. Iezt rathen Sie auch am H. und dürfen nur mit den Händen sp[ielen]. Da sonst beym Sp. am meisten die Füße beschäftigt sind, wie wohl man Beyspiele haben will, daß manchmal auch beym Sp. die Füße der Sache den Druk geben. Ich hatte in 3/4 Stunden 13 fl. gewonnen und sieben davon glücklich heimgebracht. Dismal hätten Sies mit mir halten sollen. Aber was wärs? Wenn Sie mitgehalten hätten, so hätt' ich nichts gewonnen. Sie haben mir immer Unglück gebracht. — Die Preußen fangen auch an, die Charten zu mischen. Belieben Sie Ihrer l[ieben]. Frau Mama es als Neuigkeit mitzutheilen. Möllendorf recognoscirte iüngst bis Frankenthal hinauf, und that die unwillige Frage: ob und wann dann die Kayserlichen über den Rhein gehen werden. Am 10ten sagt man nun. Es scheint den Preußen außerordentlich wohl zu thun, daß sie auch einmal zuerst parat sind. — Daß der Todt mit dem Kirchenrath Gerwig einen Solo gespielt und alle Stiche gemacht hat, wird Ihnen bekannt seyn. Der ehrliche, wakere Mann ist desto mehr zu bedauern, da er ein Opfer seiner gewissenhaften Amtstreue geworden ist und das Gift des Todes an dem Krankenbette seiner Beichtkinder geholt hat. Es ist möglich, daß Welper seinen Platz bekommt.

Sie meinen, ich lasse mir K.-Ruhe nicht mehr abkauffen. Was kann ich dafür, daß mir niemand etwas besseres drum bietet. Umsonst gibt man doch auch nicht wieder her, was man einmal hat. 's lieb Liesel hat mich ia auch nicht umsonst aus der Hand gelassen, bis es etwas bessres hatte. Daß es mir in K.-Ruhe iezt besser behagt, als anfänglich, ist wohl wahr und sehr natürlich. Aber ob es mir ie so lieb werden kann, als das Oberland noch ist, obgleich ein andrer: So herzig wie mein Liesel etc. singt, das ist eine andre Frage. Denn wo mans in seinem Leben am besten hatte, da sehnt man sich wieder hin. Ich warte iezt auf Krenzach. Freilich wird alsdann der Frieden mit dem H. Pf. von Weil ein Ende haben, denn Beichtkinder werd ich ihm wenig zuschicken. Doch es ist Zeit, dem Geschwätze ein Ende zu machen, eh' das Sauerampfergesicht kommt. Leben Sie wohl, süße Jungfer Sauerampfer.

Ich bin Ihr ergebenster Dr. und Freund     Hebel    

 

 

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Stabsoffizier: österreichischer Offizier, der im Pfarrbaus
von Weil einquartiert war.

Möllendorf: Unterstützt von österreichischen Kontingenten
begannen die Preußen unter Möllendorf am 22. Mai 1794 ihre
Operationen.
Welper: Christof Wilhelm Welper erhielt die Stelle des
am 8. Mai gestorbenen Gerwig nicht und trat in
württembergische Pfarrdienste über.
s' lieb Liesel: Anspielung auf Chr. Fr. Daniel Schubarts
 „Schwäbisches Bauernlied", das mit den Versen beginnt:
 „So herzig wie mein Liesel ist halt nichts auf der Welt".
Es war das Lieblingslied Hebels und wurde auch von
Gustave Fecht und ihrer Schwester gern gesungen.

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