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AN GUSTAVE FECHT

   

Beste Jungfer Gustave,                                                                 [Dezember 1793]

Da bin ich auch wieder — durch die Stettemer Matten herab, am Batzenhäuslein rechts um, husch über den Wiesensteg, Rebberg auf, Rebberg ab — da bin ich! Ich sey schon lange nicht mehr da gewesen, meinen Sie? Recht oft komme ich, fast alle Tage, aber Sie könnens nicht sehen. Am Tage hab' ich wenig Zeit mehr. Gemeiniglich komm ich alsdann Abends und schaue zwischen den Fensterläden hinein, und wenn ich Sie alsdann alle wieder gesehen habe, wie sie zusammen spinnen oder stricken, oder wie sie Tafel halten oder was sie thun, so bin ich zufrieden, spiele noch ein wenig mit dem Bummer oder mit dem Käppi, wenn er da ist, und gehe alsdann wieder heim. Daß ich seit dem Spätiahr nichts mehr von mir merken lies, hat noch eine besondere Ursache. Ich glaubte, Sie seyen alle bös über mich, oder wollen mich nach und nach vergessen. Wenn Sie mich vergessen wollen, dacht ich, so kann ichs nicht wehren, aber von den Fensterläden sollen Sie mich nicht vertreiben, oder es gibt Händel. Unter freyem Himmel laß ich mir nichts befehlen, und wenn mich der Herr Pfarrer da nicht leiden will, so mag er die Fenster an eine andere Seite bauen. Hat ia in Basel auch einer müsen in eine andere Gaße reiten, um so einem Maulaffen aus dem Weg zu kommen. Jezt erlauben Sie, daß ich ein wenig im Haus herumspatzire, und alles besehe, wie es ist. Stränglein seh' ich noch nicht viele; Sie hoffen vermuthlich auf einen langen Winter. Auf der Bibel dort ligt ziemlich Staub, das ist nicht gut liebe Jungfer, zumahl wenn man so oft zu Gevatter gebeten wird, da muß man recht fromm seyn. Einen neuen Schurz sehe ich dort, und ein neues Halstuch, und einen neuen Hut. Potz tausend was schöne Siebensachen. Auch ein Roman auf dem Kommode, woran ich keinen Staub erblicke. Das andre wird schon in der Ordnung seyn. Jezt gehn wir wieder hinunter und sezen uns zur Frau Mamma und zur Frau Günttertin an den Ofen. Der Herr Pastor hat nicht der Zeit, sonst kam er auch. Sind Sie denn iezt wieder aus aller Furcht und Sorge? Die Franzosen könnens nimmer abbüssen, daß sie soviel Spektakel gemacht haben. Mit Hüningen wills nicht voran gehen. Ich glaube Sie haben mit den Herren Officiers geredet und hintertreibens, damit Sie mir keine Beschreibung machen dürfen. Unser Herr Maklott ist viel patriotischer, der erobert drauf und dran, mit Sturm und Accord, und macht Beschreibungen von Sachen, die kein Mensch gesehen hat. Heute kam Feuer aus, das aber bald und ohne Schaden wieder gelöscht wurde. Ich war gerade auf dem Kaffezimmer. Es lief alles über den Schloßplatz hinaus, die Trommel wurde gerührt, die Wache trat unter Gewehr, eh' man wußte, was es bedeute. Verschiedene Emigrirte die Billiard spielten, liefen in großen Aengsten im Zimmer herum. Einer fragte ganz ängstlich: Les Patriots? Ich hab mir die Bosheit fast nicht versagen können, zu antworten oui, oui!

(...)

Jezt kommt der Herr Ungerer mit seiner Frau, iezt ein Basler Weinhändler am heiligen Adventssonntag, iezt ein ungrischer Herr Hauptmann. Sie wissen was in solchen Fällen meine Regel ist. Man nimmt Hut und Stock und marsch zu Thür hinaus. Im Vorbeygehn noch ein Nicken mit dem Kopf und ein Wink, das heißt, Sie sollen wohl schlaffen und gesund bleiben, bis ich wieder komme, und nun vorwärts über Stock und Stein heimzu.

 

 

   

Batzenhäuslein: Haus des Grenzwächters,
wo der Batzen erhoben wird.
Bummer und Käppi: Hundenamen.

Spektakel: der gescheiterte Versuch der Franzosen,
am 17. September den Rhein bei Hüningen zu überschreiten.

   
   

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