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AN GUSTAVE FECHT

   

Liebste Jungfer Gustave,                                    KRuhe, d. 22. [17.] Febr. [17]93

und überhaupt vom Oberlande erzählt, und tröste sie wenn sie mich in der Nacht mit ihrem Schuhu aus dem Schlafe erweckt, und so kläglich ihre Freiheit beseufzt mit der Versprechung, daß wir, wenn sie noch ein par Jahre Gedult hat, mit einander ins Oberland wandern werden, wo es ihr gar viel besser gefallen soll, und wo ich ihr vielleicht auch die Freiheit schenken werde, und ihr gar heimliche und schauerlich schöne Felsenklüfte, alte Gemäure und hohle Eichen vielleicht gar in den Waldungen meiner eigenen Pfarrey zeigen kann, in denen sie alsdann ihre Oekonomie nach eigenem Gefallen selber einrichten kann.

Sie werden nicht wissen liebste Jungfer Großtochter, was das für ein Geschwätze ist, und werden vermutlich auf die besorglichen Gedanken gerathen, daß ich meinen Namenstag ein wenig zu stark celebrirt habe. Um mich nun gegen den Argwohn zu verwahren muß ich Ihnen vor allen Dingen sagen, was aber Ihre Frau Schwester nicht erfahren darf, daß heut gar nicht mein Namenstag ist, daß wir heute erst den 17ten haben, obgleich meine Briefe vom 22ten datirt sind, denn theils mus ich darauf sehen, daß die Depeschen auf den 22ten oder doch nicht lange hernach ankommen, und fürs andre würde ich bis Freytag wegen einer Predigt, auf die ich zu Ende der Woche studiren muß, nicht viele Zeit zum Schreiben haben. Was aber den unverständlichen Anfang des Briefes betrift, so werden Sie aus dem an Ihre Frau Schwester, von welchem der Ihrige die Fortsezung ist, ersehen, daß von meiner lieben Nachteule die Rede ist, die wirklich aus dem Winkel hervorkriecht, als wenn sie merkte, daß ich von ihr schreibe. Sie sollten das artige Thierlein nur sehen; sie ist von der kleinsten Art, gesprenkelt dunkelgrau und hellgrau, mit einer sehr nachdenklichen, fast melancholischen Mine, und einem Schnabel wie gedrechselt. Sie hat nur zwey Fehler, den ersten, daß sie mir alles herunterwirft, wo sie hinflieget, und den zweyten, daß sie gewöhnlich etwas anders dafür hinlegt. —

Ich hatte auch einen Laubfrosch seit dem August. Aber wie einem immer das Alte verleidet, wenn man etwas neues hat, so giengs auch hier. Am 28 sten Jenner als dem Namensfest des Herrn Marggraven, gab ich ihn der Eule zu fressen.

Am Karlstag war ich bey einem großen Schmaus und an des H. Erbprinzen Geburtstag wieder, und habe helfen die schönen Lieder singen, von welchen Herr Maklott in der Zeitung sagt. Alle haben gesagt, ich singe am schönsten in der ganzen Kompagnie. Ich aber habe gedacht, wenn ihr erst die Jungfer Gustave im Oberland hörtet, und die Frau Karoline, von der ichs gelernt habe. Wenn Sie Freude dran haben oder der Herr Pfarrer, so will ich Ihnen die Lieder schicken.

Herr v.Röder läßt Ihnen insgesamt ein Kompliment melden, dem ich das meinige ebenfalls insgesamt beylege. Er wartet auf einen Brief von Herrn Pfarrer, und ich ebenfalls. Seine Frau lag lange krank an bösen Brüsten, geht aber iezt wieder aus.

Ich muß eine halbe Seite Platz lassen zur Adresse, sonst liest die Frau Pfarrerinn Ihren Brief auch.Leben Sie wohl beste Jungfer Gustave. Ich empfehl's der Sonne alle Morgen, daß sie Ihnen recht freundlich scheinen soll,

 und bin Ihr und der Frau Karoline ergebenster Diener     Hebel    

 

 

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Namenstag: Hebel feierte also seinen Namenstag an
Petri Stuhlfest, 22. Februar.
Karlstag: 28. Februar, Todestag Karls des Großen.
die schönen Lieder: In der Carlsruber Zeitung zeigt der
Verleger Macklott zwei Gedichte an: „Auf das Geburtstagsfest
unseres Durchlauchtigsten Herren Erbprinzen, wovon das
eine auf Höchstdessen Genesung Bezug hat."
Verfasser war vermutlich Macklott selbst.

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