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AN GUSTAVE FECHT

   

Beste Jungfer Gustave,                                                               [Juni 1792]

Sie haben sich ganz erstaunlich geirrt, wenn Sie mir glaubten einen Tort zu thun, daß Sie Ihren Brief am Ende anfiengen, und dort wo der Anfang stehen sollte, beschlossen. Denn fürs erste ist ieder Brief, den Sie mir schreiben, ein sehr angenehmes Geschenk für mich, er mag sonst aussehen wie er will, und wenn nur das Ende recht weit vom Anfang weg ist, so kommt mirs nicht gros drauf an, ob der eine oder das andre oben steht. Zum andern hab ich Ihnen ia, glaub ich, schon einmal geschrieben, daß es zu meinen hiesigen Geschäften gehört, die Christen hebräisch und Abrahams Enkelein teutsch zu lehren, und daß ichs also schon gewohnt seyn muß, das Vordere zulezt und das Ende beym Anfang zu suchen. Also nur so fortgemacht. Die Zeilen oben herab oder unten herauf, quer hindurch oder schräg hinüber, oder rund herum über einander gewickelt; ich will den Anfang schon finden. Ich hab ia auch die Fäden immer ordentlich gefunden, wenn das Knäulein abriß oder der Haspel schnellte.

Wegen Ihres fatalen Tanzes in Haltingen hab ich Sie sehr bedauert. Die Jungfer Gmelin hat mir alles noch ausführlicher erzählt. Ich kan bekantlich auch ein Lied davon singen, wie's einem zu Muthe ist, wenn man tanzen mus und nicht mag!!

Die Jungfer Gmelin hat mich versichert, Sie hätten sich vorgenommen, zur Abbüßung Ihrer Schuld

1. sechs Wochen lang alle Morgen die sieben Bußpsalmen zu betten,
2. so lang biß sich's wieder iährt, in einem schwarzen Schleier alle Betstunden zu besuchen; dies sey aber keine große Straffe, meint die Jfr. Gmelin, weil der Herr Pfarrer nicht viele Bettstunden haltet,
3. sich in ihrem Leben nimmer zum Tanz nöthigen zu lassen. (Ich erkläre das so, daß Sie sich in Zukunft freywillig dazu entschließen werden.) Und endlich über das alles
4. dem Herrn Pfarrer Hitzig in Eimeldingen zu beichten.

Das lezte hätten Sie ohne Anstand können bleiben lassen, da Sie mir schon gebeichtet hatten; indessen ist's auch so gut: Doppelt genäht hebt wohl.

Ihre Schwester hingegen soll sich entschlossen haben:

1. dem Herrn Pfarrer Wagner zu beichten,
2. keine Krautstiele und keine Rüben ohne Speck mehr zu kochen,
3. des Vreni's Kindlein in Schöpfen ein kamelottenes Röklein mit eigenen Händen zu nähen und selber zu überbringen,
4. sich bei den Heiligen einverleiben zu lassen.

Das nenn ich eine Buße; freylich ist sie auch eine größere Sünderinn als Sie, weil Sie als eine im Amt stehende Pfarrerinn getanzet hat. Ich bin an der Fortsetzung des Briefs durch einen Besuch von Pf. Bodemer unterbrochen worden, den ich sehr lieb habe. Er hat am Donnerstag ein sehr gutes Werk bei der Frau Erbprinzessinn gethan, oder veranlasset und gestern die guten Folgen davon, die zwar ihm nicht zu Nutze kommen, aber ihm desto mehr Ehre machen, gesehen. Sein Charakter gewinnt nach und nach an Festigkeit, welches ich theils seiner veränderten Lage, theils dem Einfluß sehr ernsthafter Geschäfte zuschreibe, die ihm von Zeit zu Zeit zu theil werden. Man kann ihn zum Spezial machen, wann man will. Ich hab ihm als einem alten Bekannten Ihren Casus erzählt, er ist auch der Meinung, daß Sie nicht nöthig gehabt hätten, zweymal zu beichten. Ich habe dieses Jahr erst 4 mal gepredigt, und es kommt bis neu Jahr nur noch 5 mal an mich. Man könnte daraus schliesen, daß ich nicht gern gehört werde, aber ich leg es so aus, daß die Leute besser folgen, wenn ich sie etwas ermahne, und daß ich also nicht nöthig habe, so oft zu predigen, wie die andern. Eigentlich aber kommt's daher, weil Prof. Sander und ich uns mehr dagegen sperren, seitdem Geistliche genug hier sind. Mich kommt's ohnehin immer schwerer an, weil ich meine bessern Lörracher und Crenzacher Predigten nun bald alle gehalten habe und also wieder von neuem studiren muß. Es ist gerade der Unterschied, wie wenn Sie einen alten Strumpf ausbessern und einen neuen stricken müsen.

Wenn ich wüßte, daß es nöthig wäre, so wollt ich mich recht schön excusiren, daß ich so lange nicht geschrieben habe. Aber ich besorge, Sie werden meiner Possen nach und nach so überdrüssig seyn, daß Sie's lieber hörten, wenn ich verspräche, in Zukunft wieder so lange zu warten. Aber nichts weniger. Iust umgekehrt; es soll alles reichlich eingebracht werden.

Empfehlen Sie mich Ihrer muntern Frau Mittänzerinn. Ich werd ihr nächstens den Leviten selber lesen. Auch dem Herrn Pfarrer viele Complimente. Leben Sie recht wohl, beste Jungfer Gustave. Wie haltet sich die Sonne? Wehen Ihnen die Äste hübsch kühl, und singen die Vögelein artig? und tragen die Bienlein auch fleißig ein? Es ist meine Schuld nicht, wenn's irgend wo fehlt.

 Ihr ergebenster      Dr. Hebel         

 

 
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