zurück zur Briefübersicht

 

   

AN GUSTAVE FECHT

   

Liebste Jungfer Gustave,                                                          [1. Dez. 1792]

Ich weiß nicht, was ich machen soll, ob ich Ihnen auch ein Brieflein beylegen will, oder nicht. Ich möchte gar zu gern noch 4 Wochen warten, wenn's nicht so lang dauerte, daß ich Ihnen auch zugleich zum neuen Jahr gratuliren könte. Am besten könten Sie mich zwar aus der Verlegenheit selber reissen, wenn Sie mir diesen Monat noch antworteten, damit ich Ihnen bis dorthin wieder schreiben könnte. Indessen seh ich doch auch nicht ein, warum man den ersten Jenner absolut abwarten soll, um das
N. Jahr zu wünschen. Wenn es einmal selber da ist, so ist es ohnehin nicht mehr nöthig, daß mans einem wünscht. Ich wünsche Ihnen also lieber sogleich, und zwar heute den 1 sten Dezember, daß Sie den 31 sten dieses Monats Nachts gesund und leicht und sanft sich aus dem alten Jahr ins neue hinüberschlafen, und am 1 sten Jenner 1793 heiter und froh erwachen mögen. Die Morgensonne soll Ihnen so bescheiden, wie sie um diese Jahreszeit zu seyn pflegt entgegenblicken, wenn Sie die Augen eröffnen und ia keine Wolke den Spaß verderben, und es soll ganz stille und heiter in der Luft seyn. Wenn's gewindet und gesdineyt sein muß, so kanns ein Par Tage vorher geschehen, denn die Reben werden doch bis dorthin gedeckt, und der Kohl an der Gartenmauer eingeschlagen seyn, und der schöne heitere Neu Jahrsmorgen soll Ihnen und allen braven Leuten nah' und fern eine gute Vorbedeutung seyn fürs ganze Jahr, daß Sie nicht mehr nöthig haben, das Maul zu hängen.

Ihre Frau Schwester ist zwar auch mit eingeschlossen, wie sich von selbst versteht, wenn sie mir aber auf meine Gratulation vom 1 sten August geantwortet hätte, so hätt' ichs ihr auch apparti gewünscht, wie Ihnen, und vielleicht noch etwas oben drein, ich weiß schon was? Indessen hat sie noch Zeit, wenn sie will.

Herr Pfarrer wird Ihnen sagen daß ich nun auch bald wieder ins Oberland komme. Freilich erschien ich alsdann in einem braunen halbleinenen Kamisol mit Ermein, grauen zökenen Beinkleidern, und Holzschuhen. Am Sonntag aber, wenn ich der Frau Pfarrerinn Prisen bringe, komme ich in weißen baumwollenen Strümpfen, schwarzledernen Beinkleidern, einem rothen Kamisol mit runden Knöpfen, und einem Rübelisrock. Um den Hals trag ich ein Stücklein Flor mit herabhängenden und in den Busen gesteckten Enden, ein Rosmarinschoß im Mund und eine Gerte in der Hand, aber die Gerte leg ich iedesmal im Hausgang ab. Das gekräuselte Haar behalt ich, wie iezt, nur ohne Puder, und alle Jahre 2 mal wenn ich dem Herrn Pfarrer den Lucerner Blappert bringe, zieh ich auch zum Andenken ein Ueberschläglein an, aber unter dem Hemde, daß es niemand sieht, wie der Herr Marggrav das Ordensband trägt. Und wenn Sie sich alsdann noch erinnern werden, daß Sie mich sonst auch schon gesehen haben, so geh ich zum Dank daß Sie sich meiner ehmaligen Bekantschaft nicht schämen, allemal mit Ihnen, nota bene, Sie voraus und ich hinten nach in der Stadt herum, wenn Sie nach Basel kommen, und zeige Ihnen die Häuser, und trage Ihnen, was Sie einkauften, zur Jungfer Dienastin, oder bis nach Weil, wenn Sie wollen, oder bis nach Konstantinopel, wenn Sie wollen. Doch nein, um Vergebung — nach Konstantinopel nicht. Denn ich könnte sterben unterwegs, zumal wenn ich viel zu tragen hätte, und möchte doch gern in Weil begraben seyn, neben des Morlaki's Mutter, oder neben der Frau, die nimmer um den Altar gehen kann, oder auf dem Beleben. Wer weiß, was die Türken mit mir machten, ob sie mich nicht in einen Sack einnäheten und ins Meer würfen. Es könnte mir ohnehin leicht gerathen, daß ich noch von den Fischen verzehrt würde, denn ich hoffe doch nicht für die Vögel geschaffen zu seyn. Was denken Sie? Ich sey ein alberner Mensch, daß ich Ihnen nichts vernünftigeres, als solche Alfanzereyen zu schreiben weiß. Nur Ge-dult, ich will mich bessern. Nehmen Sie dies als die erste Probe davon an, daß ich hier schließe. Ich bin wie oben bemerkt

Ihr gehorsamster Dr.     Hebel    

Noch eins: Wem hab' ich denn in L[örrach] die Antwort gegeben, daß ich ein süsser Herr sey? Aber ich bin wohl nicht klug, daß ich noch frage. Sie sagen mirs doch nicht, und freut Sie noch, wenn's mich recht wundert.                                               H.

Noch etwas. Wenn ich nicht emigriren darf, so will ich mir bis Frühiahr meine Komode einlegen lassen, wenn Sie mir ein Paar Scheiter von dem kostbaren Holz verschaffen könten, das in L[örrach] feil ist. Der Pforzheimer Botte wird schon so gut seyn, und es mitnehmen. Wenn Sie mir keines verschaffen können, so schreib ich an den Hrn. Vogel. Wenn ich so gewiß ins Oberland gekommen wäre, als ich gern droben gewesen wäre, und so lange droben hätte bleiben können, als ich droben sein möchte, so stünde Professor Wolfs Logis (das alte nemlich, nicht sein Jetziges) schon lange wieder im Wochenblatt. Aber wars nicht klüger daß ich hier blieb? Den Lampertenstock werden die Kayserlichen schon gefunden haben, wie des Kuh-Plagers Schwein in Tüllingen. Er hats an den Kühen verdient, daß ihm die Sfoldaten] das Schwein geholt haben. —

N. S. Ich brauche keinen rothen Faden. Ich hab noch genug, halbe Stränglein und ganze, und Knäulein, die ich Ihrer Frau Mama, und Ihnen und der Frau Prorektor Zandtin weggepuzt habe zum Flik-ken. Sehn Sie iezt schließe ich ia.                   H.

 

 

  zurück zur Briefübersicht

Kamisol: Unterjacke.
zöken: aus grobem Halbleinen.
Rübelisrock: Rock aus geripptem Baumwollsamt.
Lucerner Blappert: alte Luzerner Scheidemünze. Vermutlich
handelt es sich um ein kleines Gefäll, das dem Pfarrer von Weil halbjährlich von seinen Gemeindemitgliedern übergeben wurde.
Morlaki's Mutter: Morlacken nannte man nach einem
ihrer Stämme Dalmatiner, die sich bei den österreichischen Truppen am Oberrhein befanden. Wahrscheinlich ist ein exotisch aussehender Weiler Bürgerssohn gemeint.
Pforzheimer Botte: Pforzheim stand in regelmäßigem
Handelsverkehr mit Straßburg und Basel.
Professor Wolfs Logis: Hebel bezog die Wohnung des
1791 gestorbenen Gymnasiallehrers Ernst Ludwig Wolf.

Lampertenstock: Eine damals hauptsächlich in Weil
angebaute Rebsorte.
die Kayserlichen: Vom 1. April 1792 bis 1. Februar 1793 lagen
250 Mann österreichischer Truppen in Weil.

nach oben