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AN GUSTAVE FECHT

   

Wertheste Jungfer Gustave,                                  Carlsruhe, den 26. Dec. 1791

Gesagt, gethan! Gestern giengen die Weihnachtsferien an. Heut ist die Predigt abgeschrieben und mit der nämlichen Dinte, die ich zur lezten Zeile der Predigt in die Feder nahm, fang ich auch den Brief an. Aber nur ein wenig Geduld! Predigt und Brief soll ruhig ligen, bis ich eine Antwort von Ihnen sehe. Einsweilen hab ich Zeit, eine kleine Vorrede dazu zu schreiben. Fürs erste werden Sie bemerken daß ich vom Anfang bis ans Ende darauf ausgieng, dem alten Mauritii eine Nase zu drehen. Es mußte eine Antrittspredigt werden und doch keine — keine und doch eine, und so ists auch worden. Für's andere: wenn Sie am 22sten Sonntag nach Trinitatis 1789 Nachmittags in Lörrach in der Kirche waren und das Wort, wie sich's gebühret in einem feinen guten Herzen bewahret haben, so werden Sie bemerken, daß es gar nur eine alte, wiewohl ziemlich umgearbeitete Predigt ist. Aber was ich für ein Thor bin, daß ich mich selbst verrathe; wer wird sich von so langer Zeit her mehr an eine Predigt erinnern — Glauben Sie nicht, was ich da gesagt habe, es ist alles nicht wahr. Eine schändliche Verleumdung ists, die ich mir aus eitel Bosheit selber andichtete. Mein Lebtag würde ich das nicht thun, eine alte Predigt zum zweiten mal und noch gar in K.Ruhe wieder aufzutischen.

Den 31 sten, 3 Stunden vor dem neuen Jahr —

Vielen Dank für Ihren lieben, lustigen, freundlichen Brief und Ihrer Frau Schwester ebensoviel. Auf und nieder ist sie's gewesen, von Anfang bis zu Ende. Sie soll zu seiner Zeit auch eine recht hübsche Antwort haben. Sie aber lassen sichs nicht reuen, mir so bald und schön geantwortet zu haben, wenn Sie sehen, daß ich schon wieder angestochen komme. Die Chanen müssen eben aufs neue Jahr fort und mit den Charten läßt sich die Predigt am bequemsten in einem Paket transportiren, und der Predigt als meinem lieben Herzenskind, mus ich doch auch ein Empfehlungsschreiben mitgeben. In Zukunft will ich auch schon bescheidener seyn.

Daß Sie nicht wissen, was Tags nach dem Schneegestöber gesagt worden, wundert mich nicht. Denn Sie haben's nicht gesagt. Aber

eben deswegen geht es auch nicht wohl an, daß ich verrathe, was ich von einer dritten Person gehört habe. Hat Ihre Frau Schwester ein so gutes Gedächtnis als ich — denn sie war dabey — und will sies sagen, so hab' ich nichts dagegen einzuwenden. Vielleicht fallt es ihr eher ein, wenn ich ein wenig darauf helfe; es war von den Eimeldingern die Rede, wie sie sagten, wenn sie nach Eimeldingen kam, es hat sich lang nicht schiken wollen, endlich kam's doch recht heraus. Am Mittagessen wars. Sie schnitzig zu machen, war meine Absicht nicht.

Heute war Meister Theninger bey mir. Wenn ich nicht gerade einen guten Freund bey mir gehabt hätte, so hätt er mir eins singen müsen. „Süßer Christ" u. s. w. oder so etwas.

Viel Glück zum neuen Jahr!

Ich bin mit der vollkommensten Hochachtung Ihr gehorsamster D[iene]r     Hebel    

 

 
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Eimeldingen: In dem nahe Weil gelegenen Dorf
war Martin Fecht, der Vater Gustave Fechts und
Karoline Güntterts, Pfarrer gewesen

schnitzig: neugierig.
Meister Theninger: wohl ein Übername für Georg Friedrich Bronner.

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