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AN SEBASTIAN ENGLER

   

Freundschaftlicher Bericht                                       [17. Sept. 1804]

Mein lieber Herr Diaconus!
des Kiefers neue Bitte muß
beim Oberamt schon einige Zeit
gelegen seyn, denn gar so weit
ist doch der Weg nach Carlsruh nicht;
mit Einem Wort, der Staatsbericht
lief erst am letzten Samstag ein,
als thät der 15. hujus seyn.
Da bat ich denn den Heidenreich
er möchte doch die Sache gleich
zur nächsten Montags Session
beförderen um Gottes Lohn;
ich selber suchte Sonntags drauf
den Herrn Director Stößer auf,
der iust in seinem Gartcnsaal
Syesta hielt. „Herr, keine Wahl,
hier gilt es Leben oder Tod,
die Landsmänninn hat grose Noth,
will niederkommen alle Tag,
wer weiß, wie lang's noch heben mag,
und laßt Ihr ihr den Kiefer nicht,
so gebt nur Achtung, was geschieht."
Der Herr Director ist ein Mann,
er sieht die Sache gründlich an,
hört was man sagt, und sagt man's schlecht,
so legt er's selber noch zurecht,
wie Ihr es denn auch machen sollt,
wenn Ihr mich recht verstehen wollt.
Kurz er spricht Ja! ein Mann ein Wort!
darauf ging ich zum Holzmann fort,
der sagt: wenn's der Director will,
so bin ich schon im Voraus still.
Alsdann ging ich der Schloßkirch zu,
hielt in derselben Abendruh',
und als die Kirch geendet war,
ging ich zum Drechsler, denn fürwahr
nach einem wohlgelung'nen Werk
und nach des Schlafes Herzensstärk
schmeckt unser einem um und an
ein Pfeif lein Taback lobesan!
Am Montag, daß ich's kürzlich faß,
ward unanim beschlossen, daß
es besser sey, die Mutter hab'
zu der verschloßnen Gottesgab',
die sie noch unterm Herzen nährt,
den Vater, als wenn's länger währt.
Die Leut' sind also dispensirt,
und morgen wird's schon expedirt,
und geht durch meine sichre Hand,
nach Lörrach ab, ins Oberland.
Herr Engler hört, das freut mich sehr,
und gebt dem Kiefer Rath und Lehr',
daß er sogleich die Stiefel salb'
und mornderigs des Brichtes halb
spazir' nach Lörrach drauf und dran,
ein Schöpple trink im Wildemann,
und, wenns ihm hat geschmecket wohl,
bei Oberamt den Trauschein hol'.
Gott segne dann das Brautpaar ein.
Des Eccard's Sach' steht gar nicht fein,
der arme Teufel steckt sehr tief,
und schreibt mir manchen langen Brief,
daß mir oft zittert Herz und Bauch.
Was Ihr versprecht, das haltet auch,
Und zeiget den Verfolg mir an,
nehmt selber ein Exempel dran.
Der liebe Gott spar Euch gesund.
Herr Sander läßt Euch grüßen, und
vergessen hab' er Eurer nicht,
er werd' Euch, wenn das Grundeis bricht,
schon schreiben wie's ergangen sey;
ich wünsch ein fröhliches Juhey!
und bin bei Sonnenschein und Nebel

Euer redlicher Freund  Hebel       

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