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AN SEBASTIAN ENGLER

   

16. Juli [1804]      

Ihr geehrtes Schreiben, gleichfalls verehrungswürdiger Freund, ist mir heute, als man schreibt den 16. Jul. und 9 Tage nach dem Neulicht wohl zu Händen gekommen. Es ist gut, daß Ihr Herr Schwager eine festere Haut hat, als Sie den Spaß machen, ihm zuzutrauen. Denn die feurigen Pfeile sind bereits alle abgeschossen und versprüht, und er lebt noch, ia er kommt noch zum Drechsler, und dort seh ich ihn bisweilen und förschle ihm ab, was ihr lose Leute am Fuß der Möhre, des Belchen und des Blauen für ein muthwilliges Leben führt. Doch wer so offene Geständnisse führt, wie Sie, verehrungswürdiger Freund, dem sollte man nicht durch solche Wege beyzukommen suchen. Ich rechne es zu den besonders günstigen Führungen meines Schicksals, daß ich seit den Iezten 17 Jahren des versunkenen Saeculi bis auf diese Stunde in loco lebe, wo der Synodus gehalten wird, und mag allen meinen verehrungswürdigen Freunden diese Seligkeit wohl auch gönnen, die ihrer werth sind und Sinn dafür haben. Man kann selbigen Morgen 1. 2. und 3 Stunden länger schlafen, als die ganze übrige Diöces. Man kann selbigen Abend 1. 2. 3. Stunden länger in Cölln bleiben, nemlich im Tempel der h. Drei Könige. Ja man kann 1. 2. 3. Mas Wein mehr trinken, da man nicht weit nach Hause hat und der Stadtgraben mit einem Mäuerlein verwahrt ist. Ja man kann noch am nemlichen Abend das Schnupftuch wieder gegen die Serviette einlösen, wenn man, oder die Frau, den Irrthum zeitlich entdeckt, und es kommt nicht in das Consistorium, wenn es nicht, wie dismal, indirecte durch einen guten Freund geschieht. Daß ihr dismal mit Joh.1 nichts zu tun hattet, da euch Matth.2 so nahe lag, will ich gerne glauben. Ich werde bey unserm Synodus, als seyn wird den 14. Augusti, die Proposition machen, jedes Wirthshaus zu perhorresciren, das nicht einen biblischen Text hat. Man kann nicht wissen, was für neue Ideen man findet, wenn man mitten im Text ißt und trinkt. Der Darmstädter Hofwirth dauert mich. Ich kann ihm nicht helfen, ob ich gleich jezt vis a vis bey der Nothardin wohne. Im römischen Kayser müßten noch Aufschlüsse über die Schätzung Luc.2 und den Landpfleger Cyrenius zu finden seyn, und im Bären über die 42 bösen Buben. Das Fest aller Seelen, — o ihr erzvesten Herrn Lutheraner, hätt' der schönen Idee nicht sollen so weit ausweg gehn. Auf einen Sonntag sollte man's ia nicht verlegen. Das Fest wird über dem Sonntag vergessen und man verliert einen Tag Ferien. Am lezten Tag des Jahres? Es kommen da zu viel Feste von heterogenem Inhalt = Christi Geburt, Todtenfest und Jahreswechsel zusammen, und sind ohnehin Ferien. Das Spätiahr erinnert so nachdrücklich und rührend an den Tod. Sollte man denn nicht nach den Herbstferien ein par Wochen dazu erübrigen können. Eigentlich sollte das Fest anfangen, wenn im Herbst das erste Blatt vom Baum fällt, und dauern, bis das lezte gefallen ist, und alle Tage eine Predigt seyn, iedoch ohne Zwang für die Jugend. Aber für so etwas habt ihr Leute keinen Sinn, weil nichts davon in der Bibel steht und keine Predigt darüber in den Postillen steht oder im Salz ligt. Aber wenn man euch zumuthete, gegen eine erkleckliche Besoldungszulage Petri Hahnenschrey oder die Taufe des Kämmerers aus Mohrenland, die Heimkehr der Hagar oder so etwas, das sich ein par erbaulichen Betrachtungen aus einer großen Foliobibel abthun läßt, in christlicher Andacht zu begehen, das wäre euch schon recht. Ich gerathe recht in Hitze, und muß abbrechen, um nicht mehrere mißliebige Wahrheiten zur Sprache zu bringen. Leben Sie wohl, lieber Angeliko.

Ich bin gleichfalls Hochdero ergebener Freund und Diener     Hebel            

 

 

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