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AN SEBASTIAN ENGLER

   

Mein lieber theuerster Angeliko!                                                     [Mai 1800]

Also sind Sie wirklich in Ihrem Eldorado angekommen? und über die Sirnitz? Es ist mir für Sie und Ihre Gemeinde ein werther Gedanke, daß Sie Ihren Weg über die Sirnitz genommen haben. Denn Sie sind, so viel ich weiß, der erste und einzige Pfarrer von Hausen, und Helfer von Schopfen, der über diesen Granitbuckel hinüber seine Schäflein suchte und die Gemeinde in Hausen, so viel ich vermuthen kann, die einzige im ganzen Lande, die sich rühmen kann, von ihrem Hirten, und die Schopfemer von ihrem Zubothen (nichts für ungut) über diese rauen Pfade hinüber gesucht worden zu seyn.

— Sonst sagt man: per ardua ad astra! und ich hoffe, daß dieses Sprichwort bei Ihrem abenteuerlichen Zuge über die Sirnitz in mehr als einem Sinne wahr werden möge. Exempli gratia, weil wir doch in einem lateinischen Adagio versiren, wenn ein Wirthshaus zum Sternen in Schöpfen etablirt sein sollte, was ich iedoch nicht weiß, so werden Sie Ihre Legitimation, daselbst Ihr Wesen zu treiben, nun nicht verkennen. In Ermanglung eines Sternes haben wir iedoch die Sonne, die die Königin unter den Gestirnen ist, und ich hoffe . . . Sie, wenn ich komme, über kurz oder lang daselbst sicher anzutreffen. Ja lieber Angeliko! ich habe oft, wenn ich Sie zu Knielingen im Adler antraf — oder Sie mich — in der Stille meines profetischen Geistes an den Adler gedacht, der auf der Vignette der hallischen Grammatik so kühn und strebend der Sonne entgegenfleugt, und mich der seligen Ahndung preisgegeben, daß wir uns in Schopfheim in der Sonne auch wieder einmal finden werden. — Indessen theile ich den Ruhm der Profetenweihe, ehrlich und anmaßungslos mit dem unsterblichen Virgil, der Sie schon vor 1800 in der Sonne sah, wie Sie einmal auf Gang und Stege sich verirren und durchs Tagloch von der Bühne herabschauen werden, und deßhalben in der 5. Ecloge singt:

Candidus insuetum miratur limen olympi
Sub pedibusque videt nubes et sidera Daphnis.

In einem zweiten Sinn deute ich das Sprichwort und bitte Sie zu bemerken, daß ich hier auf einmal aus dem Spaß in den Ernst übergehe, indem ich denke, daß Sie über die ardua der Sirnitz Ihrem Glücksstern entgegen gewandelt seyen. So wünscht Ihnen mein Herz! Möge Gesundheit, und ein froher heiterer Muth und der Segen Gottes Ihnen und Ihren Lieben Ihren neuen Aufenthaltsort werth und angenehm machen.

Hier ist alles, die neuen Promotionsplane abgerechnet, so sehr beym alten geblieben, daß ich Ihrem Herrn Oncle das Paket Taback, welches Sie mir freundschaftl. besorgten, noch schuldig bin. Daß Hitzig Rötteln hat, wissen Sie. Bommern werden noch Schwierigkeiten gemacht. Nach Lidolsheim ist im Sinn des Cons[istoriums] Rink bestimmt, und dann kann Crecelius Dietlingen, und Eccard Hagsfelden haben. Allein Rink schlagt L., wie ich höre, aus und macht Ansprüche auf das erste Diakonat in Pforzheim. Erringt ers, so wird die Wahl für Lidolsheim auf Molter zurückfallen, und Mylius sein Successor werden, der auf einmal die Grille bekommt, zu glauben, er tauge nicht zum Schulwesen. An seine Stelle denkt man sich Lang oder Katz. — So geht's. Hätten Sie sich nicht so unruhig und ungeduldig von Knielingen weggearbeitet, — 's Plätzlein wäre nicht übel.

Ich bin so frey, Ihnen mit diesem Briefe zugleich ein Donnerwetter ins Haus zu schicken, und da seine morschen Balken und hangenden Wände und Abtritte dasselbe nicht lang ohne Gefahr werden beherbergen können, so bitte ich Sie es mit dem nächsten Nordwestwind in die solidere Stadtpfarrwohnung ziehen und daselbst ausbrechen zu lassen. Mögen Sie gerne als leitender Cherub selber mitgehen, so geben Sie zuerst dem Hrn. Stadtpfarrer das bewußte Capitel 25, Buch Samuelis zu lesen auf, weil eigentlich die Sache erst dadurch einiges Interesse bekommt. Sollte er Spaß daran finden, so wirds mich freuen. Leiden mag ichs wohl, wenn ers interessant genug finden sollte, unter besonnenen Leuten, da oder dort eine Stelle daraus zum Besten zu geben. Nur bitte ich niemand darauf aufmerksam zu machen, daß der Stoff dazu aus einer heiligen Geschichte genommen ist, und meinen Namen zu schonen. Doch möcht ich, daß ers gelegentlich dem Pf. Güntert communicirte.

Mit der Citation vor das Censurgericht hats guten Weg. Wir können zwey Geschäfte auf einmal abthun, da ich von dem Generalcommando dahier Ordre und Vollmacht erhalten habe, sobald mein hiesiger Garnisonsdienst es erlaubt, die Militärposten zu Schopfen und Hausen zu visitiren, und da man zum Voraus vieler antreffenden Unordnungen versichert seyn kann, mich bey dem Unterlieutenant und Feldwaibel sogleich auf 4 Wochen executionsweise einzulegen. Mein munteres Füchslein freut sich schon lange darauf und scheint mich, so oft wir uns begegnen, mit einem sehnenden Blick zu fragen: Gehn wir bald? Obs indessen auf den nächsten Oktober geschehen werde, kann ich nicht sagen, da ich kraft meiner Sendung kommen muß, wie des Herren Tag, und wie der Feldwaibel ohne Noth gekommen ist, als ein Dieb in der Nacht. Empfehlen Sie mich Ihrer lieben freundlichen Gattinn und dem Hrn. Berginspektor, dem ich auf sein freundschaftliches Schreiben nächstens antworten werde. Ich sehe mit Vergnügen Ihrem Versprechen, mich bald ein mehreres von Ihrem Wohlseyn und Wohlbehagen erfahren zu lassen, entgegen. Leben Sie wohl, lieber Freund!

Ich bin mit den aufrichtigsten Gesinnungen der Ihrige      J. P. H.           

 

 

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