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43. Judas Ischariot.

Unterdessen hielten die Priester und Ältesten des Volkes in der Wohnung des Hohenpriesters Kaiphas einen Rat, wie sie Jesum mit List in ihre Gewalt bringen könnten. Sie hatten nicht das Herz, ihn öffentlich gefangenzunehmen. Sie fürchteten Widerstand und Aufruhr. Denn es waren damals viele Freunde und Anhänger Jesu aus Galiläa und dem ganzen Lande in Jerusalem wegen des Festes versammelt. Einige rieten sogar, man solle warten, bis das Fest vorüber wäre. Indessen kam von des Herrn eigenen Jüngern Judas Ischariot und tat ihnen das Anbieten, er wolle ihn unbeschrien in ihre Hände liefern. Ischariot, der Bösewicht, sprach zu den Priestern: »Was wollt ihr mir geben? Ich will ihn euch verraten.« Die Priester boten ihm ein Schmach- und Sündengeld von dreißig Silberlingen an, welches so viel ist, als ungefähr fünfzehn Taler. Um das Sündengeld von dreißig Silberlingen verkaufte sich Judas zu der schrecklichen Tat, seinen Herrn und Meister zu verraten, und wird schlechten Gewinn davon haben. Aber ist’s nicht schon einmal gesagt? Wen der böse Geist zu einer schrecklichen Tat verleiten will, den macht er vorher rachsüchtig oder eifersüchtig oder geldbegierig.

Nach diesem kehrte der Tückische und Verworfene zu Jesu und seinen andern Jüngern zurück, als wenn nichts geschehen wäre. Er gab jetzt auf alle ihre Schritte und Worte acht.

An dem Tag, als man pflegte das Osterlamm zu essen, sprach Jesus zu den Jüngern Petrus und Johannes: »Gehet hin in die Stadt und bereitet das Osterlamm. Es wird euch ein Mensch begegnen, der einen Krug mit Wasser trägt. Folget ihm nach, und wo er hineingeht, da wird euch der Hausherr einen großen, gerüsteten Saal zeigen. Daselbst richtet es für uns zu.« Die Jünger fanden es alles so und taten so, wie sie der Herr geheißen hatte. Am Abend kam er mit den übrigen Jüngern, setzte sich und sprach: »Mich hat herzlich verlangt, das Osterlamm mit euch zu essen, ehe denn ich sterbe.« Wenn nur einer nicht dabeigewesen wäre! Jesus geriet während der Mahlzeit in eine tiefe Bewegung seiner Seele. »Wahrlich,« sprach er »ich sage euch: einer unter euch wird mich verraten.« Er kannte seinen Verräter wohl, aber er wollte ihn noch nicht nennen. Er wollte ihn noch schonen und ihm Gelegenheit geben, sein entsetzliches Vorhaben aufzugeben und sich zu bessern.

Aber wer einmal im Bösen so weit gegangen ist, wer sich so vom Satan hat verstricken lassen, o Gott, wie schwer ist es, daß ein solcher Unglückselige wieder besser werde!

Die guten Jünger sahen einander voll Schrecken an, ob so etwas möglich sei, und wen er wohl meine. Es fragte ihn einer nach dem andern in dem Bewußtsein seiner Unschuld: »Herr, bin ich’s?« Jeder wünschte von Jesu das tröstliche Wort zu vernehmen, daß er ihm ein solches Verbrechen nie zutrauen könne. Nur den Judas ließ das böse verratene Gewissen noch nicht zur Sprache kommen. Petrus winkte dem Johannes, der den nächsten Platz neben Jesu hatte, daß er ihn fragte, wer es sei? Da tauchte Jesus einen Bissen ein und sprach: »Der ist es, dem ich ihn gebe.« Er gab ihn seinem Verräter. Da sprach endlich auch der verstockte Sünder in seinem bösen Bewußtsein: »Herr, bin ich’s?« Jesus sprach: »Du bist’s!«

Es war nichts mehr an ihm zu schonen. Sein Herz war befangen in der Bosheit und Verstockung. Bewahre mich, mein Gott, daß ich nie von deinen Wegen weiche, nie deine leitende Vaterhand verlasse!