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36. Begebenheiten auf der Reise nach Bethania.

Einst ging Jesus wieder nach Jerusalem auf ein Fest. Es war die Zeit schon ziemlich nahe, daß er sollte von der Erde genommen werden. Auf dieser Reise wollte er in einem samaritanischen Flecken Herberge halten. Aber niemand von den Einwohnern wollte ihn unter sein Dach aufnehmen oder ihn mit Nahrung erquicken wegen des Hasses der Samariter gegen die Juden, weil sie sahen, daß Jesus nach Jerusalem gehen wollte auf das Fest.

Diese Unfreundlichkeit tat den Jüngern Jakobus und Johannes so wehe und entrüstete sie so sehr, daß sie sprachen: »Herr, willst du, so wollen wir sagen, daß Feuer vom Himmel falle und verzehre sie!« Also kann denken und sprechen der arme Mensch, der selbst Schonung und Nachsicht mit seinen eigenen Schwachheiten unaufhörlich bedarf. Jesus aber fragte sie: »Wisset ihr nicht, welches Geistes Kinder ihr seid?« — Nämlich des Geistes der Sanftmut, des Friedens, der Liebe. — »Des Menschen Sohn«, sagte er, »ist nicht gekommen, die Menschen zu verderben, sondern zu erhalten.« So dachte und sprach der Heilige, der vom Himmel ist.

Als sie auf selbiger Reise in einen andern Flecken kamen, begegneten ihm zehn unglückliche Menschen, welche mit dem Aussatz behaftet waren, und einer von ihnen war ebenfalls ein Samariter. Es ist aber der Aussatz in jenen Gegenden eine der schmerzhaftesten und ekelhaftesten Krankheiten. Wer davon befallen war, der war ausgeschlossen von aller menschlichen Gesellschaft wegen der Ekelhaftigkeit und Gefahr. Als diese Unglücklichen Jesum erblickten, blieben sie von ferne stehen und riefen ihm zu, daß er sich ihrer erbarmen und sie reinigen wollte. Jesus sprach zu ihnen: »Gehet hin und zeiget euch den Priestern!« Denn wenn jemand glaubte, von dem Aussatz geheilt zu sein, so mußte er sich von dem Priester besehen lassen und von ihm für rein erklärt werden. Soll ein menschlicher Priester urteilen, ob ein Kranker rein sei, den Jesus gesund und rein gemacht hat? Jesus wollte das Gesetz und die Ordnung nicht verletzen. Es gebühret sich, alle Gerechtigkeit zu erfüllen, auch wenn man es sonst nicht nötig hätte. Als nun die zehen hingingen, wurden sie rein; der Samariter, der unter ihnen war, ward es auch. Jesus entzog ihm den Segen seiner Wunderkraft nicht, obgleich seine Landsleute ihm kein Obdach und keine Erquickung verwilligt hatten. Denn des Menschen Sohn war ja nicht gekommen, die Menschen verderben zu lassen, sondern zu erhalten.

Einer von ihnen, als er sah, daß er gesund geworden war, kehrte wieder um und dankte Jesu und pries Gott mit lauter Stimme. Es war der nämliche Samariter; die übrigen waren Juden. Jesus sprach: »Sind ihrer nicht zehen rein worden? Wo sind die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der Gott die Ehre gäbe, als dieser Fremdling? Gehe hin,« sprach er zu ihm; »dein Glaube hat dir geholfen.«

Nicht weit von Jerusalem an dem Ölberg war ein Flecken, Bethania. Dort besuchte Jesus einen Freund mit Namen Lazarus und dessen Schwestern Martha und Maria. Alle drei Geschwister wurden durch diesen Besuch hoch erfreut. Martha gab sich alle Mühe, ihren werten Gast gut zu bewirten. Maria aber saß zu den Füßen Jesu und hörte seinen Reden zu. Martha sprach zu Jesu: »Herr, fragst du nicht danach, daß mich meine Schwester läßt allein dienen? Sage ihr doch, daß sie es auch angreife!« Jesus antwortete ihr: »Martha, Martha, du hast viele Sorge und Mühe. Maria hat das gute Teil erwählt.« Wer Jesum herzlich liebt, wer seine Worte hört und danach lebt und tut, wer dies zu feiner größten Sorge macht, der hat das gute Teil erwählt.
 
 
 
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