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26. Abimelech.

 Gideon hinterließ siebenzig Söhne. Außer diesen aber hatte er noch einen Sohn, mit Namen Abimelech, der von einer Nebenfrau des Gideon war, die in der Stadt Sichem wohnte, eine nichtswürdige Seele. Abimelech ging nach Sichem und redete mit den Brüdern seiner Mutter und mit ihrer ganzen Verwandtschaft. »Was ist euch besser, daß siebenzig Männer über euch herrschen, insgesamt Söhne von Jerubbaal, oder daß einer über euch Herr sei? Bedenket, daß ich eures Geschlechtes bin.« Jene siebenzig Söhne des Gideon mochten wohl durch ihre Einigkeit und durch ihre Rechtschaffenheit in einem großen Ansehen bei dem Volk stehen; aber der nichtswürdige Abimelech war von ihnen verachtet und ausgeschlossen.

Die Männer von Sichem verstanden die Meinung des Abimelech. Sie gaben ihm Geld aus einem Götzenhaus, so viel er bedurfte. Ohne Zweifel war es aus der Beute, die sein Vater von den Midianitern erheutet hatte. Mit dem Gelde dingte er eine Schar leichtfertige Männer, wie er selber einer war. Er griff mit ihnen seine Brüder, die Söhne seines Vaters, an und ermordete sie, einen nach dem andern, auf einem Stein. Nur Jotham, der jüngste unter ihnen, entging dem Mordschwert seines Bruders. Man wußte nicht, wo er war hingekommen. Nach diesen schrecklichen Mordtaten traten die Männer von Sichem zusammen und wählten unter freiem Himmel den Abimelech zu ihrem König.

Da hörten sie von einem Berg herab eine Stimme. Auf dem Berg Grisim stand ein Mann, der kündete ihnen ihr künftiges Schicksal an mit folgenden Worten: »Höret mich, ihr Männer von Sichem! Die Bäume gingen hin, daß sie einen König über sich salbeten. Sie sprachen zum Ölhaum: Sei unser König! Der Ölbaum antwortete ihnen: Soll ich meine Fettigkeit dahingeben, daß ich hingebe und über den Bäumen schwebe? Da sprachen die Bäume zum Feigenbaum: Komm du und sei unser König! Der Feigenbaum sprach zu ihnen: Soll ich meine Süßigkeit und meine gute Frucht dahingeben und hingehen, daß ich über den Bäumen schwebe? Da sprachen die Bäume zu dem Weinstock: Komm du und sei unser König! Der Weinstock sprach: Soll ich meinen Most dahingeben und hingehen, daß ich über den Bäumen schwebe? -
Zuletzt sprachen alle Bäume zu dem Dornbusch: Komm du und sei unser König. Der Dornbusch sprach: Wenn es euch ernst ist, mich zum König zu salben, so kommt und vertraut euch unter meinen Schatten. Wo nicht, so wird Feuer aus dem Dornbusch gehen und die Zedern des Libanons verzehren« - Der Mann auf dem Berg Grisim, der dieses sprach, war Jotham, der jüngste Sohn Gideons, der dem Mordschwert Abimelechs entgangen war.

»Und nun,« so fuhr Jotham fort, »wenn ihr recht und redlich gehandelt habt und wohlgetan an Jerubbaal und an seinem Hause, so seid fröhlich über Abimelech, und er sei fröhlich über euch! Wo nicht, so wird Feuer ausgehen von Abimelech und die Männer von Sichem verzehren, und Feuer wird ausgehen von den Männern von Sichem und den Abimelech verzehren.« Abimelech herrschte mit blutigen Händen drei Jahre lang über Israel. In Sichem hatte er einen Burgvogt. Die Einwohner von Sichem und von Thebez empörten sich gegen den König. Der Burgvogt gab ihm Kunde. Einer namens Goal zog ihm mit den wehrhaften Männern vor die Stadt hinaus entgegen. Abimelech schlug sie in einer Feldschlacht, eroberte die Stadt, tötete die Einwohner, zerstörte die Stadt und streute Salz darauf, daß bald Nesseln wuchsen. Noch hatte Sichem eine Burg und in der Burg einen hohen Turm, der von hölzernen Balken gebaut war. Als der König erfuhr, daß viele Leute sich in den Turm geflüchtet hätten, umlegte er ihn, der wütende Unmensch, mit Feuer und ließ niemand heraus. Das war das Feuer, das ausging von dem Dornbusch und die Zedern des Libanons verzehrte. Bei tausend Menschen, Männer und Weiber, wurden ein Raub der Flammen.

Ein Gleiches wollte er in Thebez tun. Wilde Rachsucht findet keine Sättigung. Sie kommt erst zur Ruhe, wenn sie sich selbst zerstört hat. Schon war Abimelech zu dem Turm von Thebez gelangt. Schon legte er Feuer an, daß er ihn verbrennte. Da warf eine Frau ein Stück von einem zerbrochenen Mühlstein herab. Der Stein fiel auf Abimelech und zerschmetterte den Kopf des Brudermörders und Tyrannen. Also bezahlte Gott dem Abimelech die Untat, die er verübt hat, als er seine Brüder ermordete; und alle bösen Taten der Männer von Sichem, und der Fluch Jothams traf an ihnen ein. Solches Heil blüht einem Volk, wo kein Recht und keine Gesetze gelten, wo List und Gewalt die Oberhand behält.
 
 
 
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