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12. Feindschaft zwischen Esau und Jakob.

 Nach langer Zeit, als Jsaak schon ein hohes Alter erreicht hatte, wurde er blind. Als er nun fühlte, daß er nicht mehr lange leben werde, rief er seinen Sohn Esau zu sich und sprach zu ihm: »Siehe, ich bin alt geworden und weiß nicht, wann ich sterben soll. So gehe nun aufs Feld und bringe mir ein Wildbret und bereite mir ein Essen, wie ich es gern habe. Alsdann will ich dir meinen Segen geben, ehe denn ich sterbe.« Also redete Jsaak zu seinem Sohn Esau, und Rebekka war zugegen und hörte es.

Rebekka aber war ein Weib von listiger Gemütsart, nicht immer wie eine redliche Hausfrau und treue Mutter sein soll, und der stille, häusliche Jakob war von ihrer Art. Also redete auch Rebekka mit ihrem Sohn Jakob. Während nun als Esau auf dem Felde war, schlachtete sie in der Geschwindigkeit zwei Böcklein und bereitete sie in der Art, wie Jsaak das Wildbret gerne aß. Hernach zog sie dem Jakob seines Bruders köstliche Kleider an und vermummte seinen Hals und seine glatten Hände, daß sie rauh wurden wie Esaus Hände, und gab ihm das gekochte Essen, daß er es seinem Vater brächte, als wenn er Esau wäre, und daß er an seines Bruders Statt den Segen empfinge.

Es gehört nicht viel dazu, einen alten, blinden Vater zu hintergehen, wenn nicht kindliche Liebe und Ehrfurcht und Scheu vor Gott es dem Herzen schwer machen. Jakob brachte dem alten, blinden Vater das Essen und gab sich für den Bruder aus. Jsaak sprach zu ihm, als wenn er der Bruder wäre: »Gott lasse dich wohnen in einem fruchtbaren Lande und mache dich darin zu einem glücklichen Mann. Du sollst der Herr sein über deine Brüder, und deiner Mutter Kinder sollen dir dienen.« Es war solch ein Segen anzusehen als die letzte Willensmeinung des Vaters; niemand durfte daran etwas ändern noch hindern. Also gewann Jakob den Segen des Erstgebornen ohne Wissen des Vaters, nachdem ihm Esau die Rechte der Erstgeburt heimlich hatte zugesagt. Diese schlimme Tat übte er aus an seinem Vater und an seinem Bruder auf Anstiften der Mutter.

Unterdessen kam Esau vom Felde heim und bereitete dem Vater das Wildbret und brachte es ihm, daß er seinen Segen empfinge. Der blinde Vater sagt: »Wer bist du?« Er sagt: »Ich bin Esau, dein erstgeborner Sohn,« und verleugnet also dem Vater auch, daß er die Erstgeburt verkauft hatte. Da entsetzte sich Jsaak über die Maßen. »Es ist schon einer dagewesen,« sprach er, und er merkte jetzt, daß es Jakob gewesen sei. »Dein Bruder Jakob ist dagewesen, der hat mich hinterlistet und hat deinen Segen empfangen, und ich kann’s nimmer ändern.«

 Esau schrie vor Entsetzen laut und weinte. »Segne mich auch, mein Vater! Hast du mir keinen Segen vorbehalten?« Der bewegte Vater sprach: »Gott wird auch dir einen Wohnsitz geben in einem fruchtbaren Lande. Aber von der Herrschaft deines Bruders kann ich dich nicht mehr befreien;« — nämlich weil er ihm das Wort gegeben hatte - »wirf selbst sein Joch von deinem Halse ab!« Von der Zeit an ward Esau seinem Bruder gram und sagte: »Es ist mir leid·um meinen Vater; denn ich schlage meinen Bruder tot.«

Solche Verwirrungen kann eine einzige Leichtfertigkeit in einer Familie anrichten. Esau verkauft heimlich seine Rechte. Jakob erschleicht sich dazu die Bestätigung und den Segen des Vaters. Der alte, schwache Vater weiß sich nicht zu helfen und wird in die Untreue hineingezogen. Hat er dem Jakob die Herrschaft über den Esau zugesagt, so erlaubt er dem Esau heimlich, sich nichts darum zu bekümmern. Esau kommt in Versuchung, ein Brudermörder zu werden. Jakob ist in des Vaters eigenem Hause des Lebens nimmer sicher, und - es ist noch lange nicht alles vorüber.

So folgt eine Sünde aus der andern mit ihrer schweren Strafe. - Dein Leben lang habe Gott vor Augen und im Herzen, und hüte dich, daß du in keine Sünde willigest. Die Sünde ist der Leute Verderben.
 
 
 
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