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10. Jsaak.
 

Sara, die Ehefrau Abrahams, erlebte nicht mehr die Heirat ihres Sohnes Jsaak. Als sie aber gestorben war, hatte Abraham trotz allem seinem Reichtum erst kein Plätzlein, wohin er sie begraben konnte. Denn in jener Gegend hatte man dazumal noch keine Kirchhöfe. Wer ein liegendes Eigentum besaß, begrub darin seine Toten. Allein Abraham hatte noch kein liegendes Eigentum in dem Lande, sondern er kaufte von einem Landeseinwohner namens Ephron einen Acker, in welchem eine zwiefache Höhle war. In die Höhle begrub er die Genossin seines Lebens und seines Glückes. Das war das erste Eigentum Abrahams und
seiner Nachkommen in dem Lande, das ihnen verheißen war, ein Stücklein Ackerfeld und
eine Leiche darin.

Abraham wollte seinem Sohn Jsaak keine von den Töchtern der Fremden zum Weibe geben, unter welchen er lebte. Er befahl dem Elieser, seinem ältesten und getreuesten Diener, welcher seinem ganzen Vermögen Vorstand, daß er in sein Vaterland gehen sollte, aus welchem ihn Gott nach Kanaan geführt hatte. Dort sollte er um eine brave Jungfrau für seinen Sohn Jsaak ausgehen. Das ist die Liebe zum Vaterland und der Glaube
an des Vaterlandes gute Art. »Der Gott des Himmels,« sagte er, »der mich von meines Vaters Hause genommen hat und aus meiner Heimat, der wird seinen Engel vor dir her senden, daß du meinem Sohn daselbst ein Weib nehmest.«

Der Diener des Abrahams machte sich auf mit zehn Kamelen und vielen Lebensmitteln und Geschenken und zog Viele Tagereisen weit durch fremde Landschaften nach Mesopotamia, in die Heimat seines Herrn. Außen vor einer Stadt lagerte er sich mit seinen Kamelen an einem Brunnen. - Daselbst betete er, daß Gott Barmherzigkeit an seinem Herrn, dem Abraham,. und an seinem Sohn Jsaak tun und ihm in dieser Stadt eine brave Person für den Sohn seines Herrn zeigen wolle.

Indem kam mit einem Wasserkrug eine feine und sittsame Jungfrau; die ging hinab zum Brunnen und füllte das Gefäß. Abrahams Diener bat sie, daß sie des Wassers ihm möchte zu trinken geben. Die Jungfrau sprach: »Trinke, mein Herr! Ich will auch deinen Kamelen schöpfen, bis sie alle getrunken haben.« Solche Artigkeit und Dienstfertigkeit gegen fremde Leute steht der Jugend wohl und löblich an und ist das Zeichen einer verständigen Erziehung. Daher wünschte Abrahams Diener wohl, daß Gott solch ein Töchterlein dem Sohn seines Herrn zur Ehegattin bescheren möchte.

Er nahm von den Kostbarkeiten, die ihm Abraham mitgegeben hatte, zwei goldene Armringe und legte sie in ihre Arme. »Sage mir, meine Tochter, wem gehörest du an, und haben wir auch Raum in deines Vaters Hause zur Herberge?« Aber welche Freude drang in das Herz des guten Alten, als er hörte, wer die fremde Jungfrau sei: »Ich bin Rebekka,« sagte sie, »die Tochter Bethuels, der ein Sohn ist des Nahors.« Das ist der nämliche Nahor, der Bruder des Abraham, der in Mesopotamia zurückgeblieben war, als Abraham und Lot in das Land Kanaan zogen. Als der Mann das hörte, betete er den Herrn an: ,,Gelobet sei der Herr, der Gott Abrahams, der seine Barmherzigkeit und seine Wahrheit nicht entzogen hat meinem Herrn; denn er hat mich den Weg geführt zu dem Hause des Bruders meines Herrn.«

An diesem Gebet ist zu erkennen der Knecht des frommen Abrahams. Denn fromme Herrschaft zieht frommes Gesinde, und wird eines des andern Segen. Böse Herrschaft zieht böses Gesinde, und wird eines dem andern zum Unsegen.

Rebekka eilte unterdessen nach Hause, das; sie Anstalt machte zur Aufnahme des Fremdlings. Laban aber, ihr Bruder, eilt hin an den Brunnen und holte den Mann mit seinen Kamel ab und führte ihn in seines Vaters Haus. Da sah er sich nun auf einmal und unverhofft mitten in einem fremden Lande unter den Verwandten seines Herrn. War er aber darüber verwundert und hoch erfreut, nicht weniger waren sie es, als sie hörten, er komme ans Kanaan von ihrem Gefreundten Abraham, und als er ihnen erzählte, wie Gott seinen Herrn mit einem braven Sohn und großem Reichtum gesegnet habe.

Weil er nun sah, daß Gott Gnade zu seiner Reise gegeben und ihn in dieses Haus geführt habe, eröffnete er ihnen die Absicht seiner Reise und seines Herzens Begehr, daß Bethuel wolle seine Tochter dem Sohn seines Herrn zum Weibe geben. Als Bethuel und seine Kinder das hörten, sprachen sie: »Das kommt von dem Herrn; darum können wir nichts darwider reden. Da ist Rebekka! Nimm sie und ziehe hin, daß sie dem Sohn deines Herrn zum Weibe sei.« Zu Rebekka aber sprachen sie: »Du bist Unsere Schwester; wachse in viel tausendmal Tausend !« Also zog er wieder hinweg und nahm die Rebekka mit sich, nachdem er ihnen viel Kleinodien und schöne Kleider und köstliches Gewürz aus dem Lande Kanaan geschenkt und mit ihnen gegessen und getrunken hatte, und kam wieder in dem Lande Kanaan an.

Jsaak war ausgegangen, daß er betete aus dem Felde um den Abend, und sah die Kamele kommen, und Abrahams Diener zeigte der Rebekka den frommen Jüngling in seiner blühenden Gestalt, daß dies ihr künftiger Gemahl sei. Da stieg sie von dem Kamel herab, auf welchem sie gesessen war, und verhüllete sich nach morgenländischer Sitte und grüßte ihn. Jsaak aber brachte sie vor seinen Vater Abraham, daß er sie von ihm zum Weibe empfinge, und führte sie hernach in das Zelt, welches seine Mutter Sara bewohnt hatte, daß es nun das ihrige wäre.

Also erlebte Abraham die Freude, seinen Sohn vermählt zu sehen mit einer Jungfrau aus dem guten Blute seiner Verwandtschaft, mit der Enkelin seines Bruders Nahor. Mit dieser Freude krönte Gott sein langes, frommes Leben. Abraham lebte noch lange in einem ruhigen Alter, bis endlich sein Stündlein kam und Gott seinen Freund zu sich rief.

Als er gestorben war, begraben ihn seine Kinder in der Höhle zu Sara, seiner Ehefrau, daß der Tod wieder vereinigte, was der Tod getrennt hatte, und Jsaak war der Erbe aller seiner Habe und der Liebe und Wertschätzung, die sich Abraham bei den Einwohnenden des Landes erworben hatte. - Auch bestätigte ihm Gott den Segen seines Vaters: »Durch deine Nachkommenschaft sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden.«

 
 
 
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