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Marie Luise Kaschnitz
(Freifrau von Kaschnitz-Weinberg) wurde am 31. 1. 1901 als "unerwünschte"
Tochter in Karlsruhe geboren. Sie entstammte
einem elsässischen Adelsgeschlecht - die Mutter Elsa, geborene
Freifrau von Seldeneck; der Vater Adolf Max Freiherr von Holzing-Berstett, Offizier der kaiserlichen Armee. Sie hatte zwei
ältere Schwestern, Karola und Helene und einen jüngeren Bruder namens
Peter. Die Familie verlegte ihren Wohnsitz nach der Geburt von Marie
Luise zunächst nach Potsdam, 1902 nach Berlin, wo Marie Luise das Lyzeum
besuchte. Nach dem Ersten Weltkrieg zog die Familie - (ohne den Vater;
die Eltern hatten sich auseinander gelebt) - in den Breisgau.
1917/18 besuchte Marie Luise die Abschlussklasse des Viktoria-Pensionats
in Karlsruhe.
Seit dem Jahr 1917 arbeitete Marie Luise als Buchhändler-Lehrling in
Weimar und München. Im Rahmen ihrer nachfolgenden Tätigkeit als
Sekretärin am Archäologischen Institut in Rom lernte sie den
österreichischen Archäologen Guido Freiherr von Kaschnitz-Weinberg
kennen, den sie 1925 heiratete. 1928 wurde die gemeinsame Tochter Iris
Constanza geboren. Vorerst
bestimmten familiäre und eheliche Pflichten das Leben der Dichterin,
doch in ihrer knappen Freizeit verfasste sie erste Texte.
Nachdem bereits einige ihrer frühen Gedichte 1926 in der Frankfurter
Zeitung veröffentlicht worden waren, folgten die Publikationen der
autobiografisch gefärbten, und von der Autorin später nicht sonderlich
geschätzten Romane "Liebe beginnt" (1933) und "Elissa" (1937).
Marie Luise Kaschnitz
unternahm mit ihrem Mann zahlreiche Studienreisen, die sie u. a. nach
Italien, Griechenland, Nordafrika und in die Türkei führten; auch lebte
das Ehepaar für längere Zeit in Königsberg und Marburg, Frankfurt und
Rom (wo Guido Freiherr von Kaschnitz-Weinberg jeweils lehrte), was den
literarischen Werdegang der Autorin entscheidend beeinflusste.
("Griechische Mythen", 1941, "Die Umgebung von Rom", 1960). "Rückblickend erst sah ich, dass alle diese
Götter, Halbgötter, Heroen und Fabelwesen etwas gemeinsam hatten. Es war
ihr Weg aus dem dunklen Urgrund des Elementaren in das lichtere Reich
der homerischen Götterwelt, aus dem unbewussten Walten der zeugerischen
und vernichtenden Naturkräfte in den Machtbereich des vom Schicksal
bedrohten, aber nach eigenem Willen handelnden Menschengeistes hinein.
Solches Streben vom Dunkeln ins Helle ist befreiend, aber auch
gefährlich"; "Fahrtwinde spüren, fahren, egal wohin".
Seit 1945 arbeitete Marie
Luise Kaschnitz an der 1946 erschienenen zeitkritischen Essaysammlung
"Menschen und Dinge", die einiges Aufsehen erregte. 1947 folgten die
beiden vielbeachteten Lyrikbände "Gedichte und Totentanz" sowie
"Gedichte zur Zeit". 1952 erschien der erste Erzählband "Das
dicke Kind" - (Marie Luise Kaschnitz war selbst ein solches, von
Minderwertigkeitsgefühlen belastetes, weinerliches Geschöpf gewesen, und
sie bezeichnete die Erzählung später als "kühn und grausam").
Guido Freiherr von
Kaschnitz-Weinberg starb nach langer schwerer Krankheit 1958. 1960 wurde
"Lange Schatten", eine Sammlung von 21 Erzählungen, publiziert. Der Band
"Dein Schweigen - Meine Stimme", 1962 erschienen, ist die literarische
Verarbeitung des elementaren Schmerzes und der Trauer infolge des
Verlusts des Ehemannes, doch geht die Bedeutung über die Trauerarbeit
bzw. Bewältigung eines Einzelschicksals hinaus. ("Dein Schweigen / Meine
Stimme / Deine Ruhe / Mein Gehen / Dein Allesvorüber / Mein Immernochda.")
Marie Luise Kaschnitz
wohnte nach dem Tod ihres Ehemannes vorwiegend in Frankfurt. Sie war
Mitglied des PEN (ab 1949), der Akademie der Wissenschaften und der
Literatur in Mainz, der Bayerischen Akademie der Schönen Künste wie der
Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Im Jahr 1960 hielt sie
Poetik-Vorlesungen als Gastdozentin an der Universität Frankfurt.
Marie Luise Kaschnitz war
für das literarische Leben in Deutschland prägend, wie auch ihre Freunde Paul Celan, Ingeborg Bachmann, Max
Frisch, Stefan Andres, Günter Eich, Peter Huchel,
Peter Härtling, Hans Magnus Enzensberger und Theodor W. Adorno. Das
Werk der Schriftstellerin umfasst Romane, Essays, Gedichte und
Hörspiele. Ihren Stil mag man deutlich, sparsam, knapp, komprimiert, von
präziser Beobachtung getragen, formal klassisch, nennen. Wie Else Lasker-Schüler
meinte sie, "es dichte in ihr".
Marie Luise Freifrau von
Kaschnitz-Weinberg starb am 10. Oktober 1974 in Rom und wurde in
Bollschweil im Breisgau auf dem Familiensitz des Vaters beigesetzt.
Ihr Nachlass befindet sich im Deutschen Literaturarchiv in Marbach
am Neckar.
Werke:
Liebe beginnt. Roman. - Berlin:
Cassirer 1933.
Elissa. Roman. - Berlin: Universitas
1937.
Griechische Mythen. - Hamburg: Govert,
1944.
Menschen und Dinge 1945. Zwölf Essays.
- Heidelberg: Schneider 1946.
Gedichte. - Hamburg: Claassen & Goverts 1947.
Totentanz und Gedichte zur Zeit. -
Hamburg: Claassen & Goverts 1948.
Gustave Courbet. Roman eines Malerlebens. - Baden-Baden: Klein 1950.
Zukunftsmusik. Gedichte. - Hamburg: Claassen 1950.
Das dicke Kind und andere Erzählungen.
- Krefeld: Scherpe 1952.
Ewige Stadt. Rom-Gedichte. - Krefeld: Scherpe 1952.
Engelsbrücke. Römische Betrachtungen.
- Hamburg: Claassen 1955.
Das Haus der Kindheit. - Hamburg:
Claassen 1956.
Neue Gedichte. - Hamburg: Claassen
1957.
Der Zöllner Matthäus. - Kassel, Basel: BärenreiterVerlag 1958.
Lange Schatten. Erzählungen. -
Hamburg: Claassen 1960.
Die Umgebung von Rom. Mit 32 Bildtafeln. - München, Ahrbeck: Knorr &
Hirth 1960.
Ein Gartenfest.
Hamburg: Hans-Bredow-Institut 1961.
Dein Schweigen - meine Stimme.
Gedichte 1958-1961. - Hamburg: Claassen 1962.
Liebeslyrik heute. - Mainz: Verlag der Akademie der Wissenschaften und
der Literatur
Hörspiele. - Hamburg: Claassen 1962.
Wohin denn ich. Aufzeichnungen. -
Hamburg: Claassen 1963.
Ich lebte. Verse. - Offenbach am Main: Kumm 1963.
Der Deserteur. Erzählungen und Gedichte. - Lübeck und Hamburg:
Matthiesen 1964.
Preise:
1955 Georg-Büchner-Preis,
1957 Immermann-Preis
1967 Friedensklasse des Ordens Pour le Mérite
1968 Ehrendoktorwürde der Philosophischen Fakultät der Universität
Frankfurt
1970 Hebel-Preis
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