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zurück | Evangelium am 19. Sonntag nach Trinitatis 1792 | |
Evang. am l9ten Stg.
n. Tr. Macht Sünden zu vergeben, ist soviel als Macht, die Folgen der Sünden zu heben. Die Folgen aber der Sünde sind zweierlei, natürliche, die aus der Sünde selbst herfliessen, nicht anders als herfliessen müssen, und positive (wilkührliche), die Gott gleichsam noch extra, den Übertrettern in der Ewigkeit, anzuthun gedrohet hat; (wenn wir sie anders nicht deswegen nur willkührlich nennen, weil wir ihre Beschaffenheit und also auch ihren Zusammenhang mit der bösen That selbst noch nicht einsehen können.) Gewöhnlich wenn man von Vergebung der Sünden spricht, denkt man nur an diese leztere Art von Folgen der Sünden. Vergeb, d. S. heisst alsdenn Nachlaß der ewigen Straffen. Da die natürlichen Folgen nur der HErr der Natur die positiven nur der Gesetzgeber aufheben kan, so ist I, beides gegen den Ausspruch des 5ten V. gleich schwer, oder gleich leicht, wie man will. Hingegen ist 2,tens kein Zweifel, daß der welcher das eine thut, sich dadurch legitimirt, auch das andere thun zu können. Denn beides kan nur Einer. Rühmt sich hingegen ein Mensch, der für einen Betrüger gehalten wird, als Bevollmächtigter Gottes eines oder das andere thun zu können, so ist es freilich leichter zu Sagen: dir sind deine Sünden vergeben, d.h. du bist losgesprochen von der ewigen Verdamniß, - als zu sagen: stehe auf u. wandele d. h. sey frei von den natürlichen, ietzt dich drükenden Folgen deiner Sünden. Denn da ienes sich wohl sagen, der Erfolg aber keineswegs sich wahrnehmen lässt, so kan auch der, welcher es gesagt hat, aus dem Nichterfolg nicht als Betrüger überwiesen werden. Wer ihm glauben mag, kan glauben. Es ist aber nichts entschieden. Schwerer ist es in dem Fall zu sagen: sey frei von den natürlichen Folgen deiner Sünden. Denn hier muß der Erfolg des Machtspruchs augenbliklich entscheiden; der Kranke z. B. muß gesund werden, oder der Betrüger ist widerlegt. Jesus scheint also zu sagen: Ihr glaubt nicht daß ich Sünden vergeben kan? Wohlan, Sünden vergeben und Kranke heilen gehört zusamen; wer das eine kan, muß auch das andere können. Aber es ist schwerer das eine als das andere zu sagen. Ich sage also das Schwerere um euch zu zeigen, daß ich das leichtere auch könne. Er hats gesagt - und gethan. Zweifel gegen alle Wilkürliche Straffen überhaupt. Da Gott einmal zur Verhütung böser Thaten, natürlich böse Folgen, d. h. Straffen damit verbinden wollte, war es nicht zu erwarten, daß er so viele und so harte Folgen damit verbinden würde, als zur Erreichung seiner Absicht hinlänglich waren? Wenn er einst einige Zeit, nach dem die Maschine der Natur ihren Gang gieng, das böse durch Androhung neuer willkührlicher Straffen, die ohnehin weniger Eindruk machen, noch wirksamer zu verhindern suchte, schien es nicht, daß er sich bei dem Plan der Natur in Abwägung der Gewichte und Gegengewichte um etwas müste verrechnet haben, dem er nun durch Anhängung eines neuen Zugewichts, so gut als möglich abhelfen wolle? So stellt ein Künstler seine Maschine auf, freut sich ihrer Vollendung und lauscht und spähet mit gespanter Erwartung auf ihren Gang - und siehe sie täuschet seine Erwartung und stokt. Er entdekt den Fehler; er hatte die Last etwas zu gering angenomen oder die Friktion zu gering berechnet. Nun legt er der Kraft Zugewicht bei, und die Maschine rollt ihren Gang.
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