Allgemeine
Betrachtung über das Weltgebäude [3]:
Der Mond
(1807
+ 1814)
Der geneigte
Leser wird nun recht begierig sein, auch etwas Neues von dem Monde zu
erfahren, der ihm des Nachts so oft aus der Stadt nach Hause leuchtet,
oder aus dem Wirtshaus.
Erstlich der Mond ist auch eine große Kugel, die im unermeßlichen
Weltraum schwebt, nicht anderst als die Erde und die Sonne, aber in
seiner körperlichen Masse ist er fünfzigmal kleiner als die Erde, und
nicht viel über 50 000 Meilen von ihr entfernt. Man sieht hieraus, daß
der Hausfreund nicht darauf ausgeht, mit großen Zahlen um sich zu
werfen, wenn's nicht sein muß, und den gutmütigen Leser im Numerieren zu
üben, sondern daß er gerne bei der Wahrheit bleibt.
Zweitens, daß der Mond wie die Sonne, je in 24 Stunden um die Erde
herumzugehen scheint, will nicht viel sagen. Gesetzt er stehe
unbeweglich still an seinem Ort, so dreht sich ja die Erde um ihre
Achse, daraus erfolgen in Rücksicht auf den Mond die nämlichen
Erscheinungen, wie bei der Sonne, und wenn von ihm ein langer gelber
Faden ohne Ende auf die Erde herabreichte, und auch an dem Kruzifix im
Felde angeknüpft würde, so müßte sich der gelbe Faden ebenfalls in 24
Stunden um die Erde herumlegen. Aber der Mond ist deswegen nicht um die
Erde herumgegangen, sondern die Erde durch die Umdrehung um ihre Achse
hat den Faden selber an sich aufgewunden.
Drittens, der Mond muß auch sein Licht und sein Gedeihen von der Sonne
empfangen. Eine Hälfte seiner Kugel ist erhellt, die gegen die Sonne
gekehrt ist, die andere ist finster. Damit nun nicht immer die nämliche
Hälfte hell, und die nämliche finster bleibe, so dreht sich der Mond wie
die Erde ebenfalls um sich selber oder um seine Achse, und dem
Hausfreund tut die Wahl weh, will er sagen in 27 Tagen und 8 Stunden,
oder in 29 und einem halben Tag. Denn beides ist richtig, je nachdem
man's ansieht. Wir wollen aber sagen in 29 und einem halben Tag, weil's
die Kalendermacher so ansehen. Daraus folgt, daß in dieser langen Zeit
der Tag und die Nacht nur einmal um den Mond herumwandeln. Der Tag
dauert dort an einem Ort so lange als ungefähr 2 von unsern Wochen und
ebenso lang die Nacht, und ein Nachtwächter muß sich schon sehr in acht
nehmen, daß er in den Stunden nicht irre wird, wenn es einmal anfängt
223 zu schlagen oder 309. - Aber
Viertens, der Mond bewegt sich in der nämlichen Zeit auch um die Erde.
Dies sieht man abermal an den Sternen. Wie wenn man einen langsam
gehenden Postwagen aus weiter Ferne beobachtet, meint man, er stehe
still. Wenn man aber bemerkt, wie er doch nicht immer neben dem
nämlichen Baum an der Straße sich befindet, sondern nach ein paar
Minuten neben einem andern, so erkennt man, daß er nicht stillsteht,
sondern auf die Station geht. Wenn er aber in einem großen Kreis um den
geneigten Leser herumführe, so müßte er doch zuletzt wieder zu dem
nämlichen Baum kommen, bei welchem er zuerst stand, und daran müßte man
erkennen, daß er jetzt seinen Kreislauf vollendet hat, also auch der
Mond. Er hält sich nicht jede Nacht bei dem nämlichen Sternlein auf,
wenn's noch so schön ist, sondern er rückt weiter von einem zum ändern.
Am ändern Abend um die nämliche Zeit ist er schon um ein beträchtliches
vorgerückt; aber ohngefähr in oben benannter Zeit, etwas früher kommt er
wieder zu dem nämlichen Stern, bei dem er zuerst stand, und hat seinen
Kreislauf um die Erde vollendet
Fünftens, da sich der Mond also um die Erde bewegt, so ist daraus leicht
abzunehmen, was es mit dem Mondwechsel für eine Bewandtnis hat. Der
Neumond ist, wenn der Mond zwischen der Sonne und Erde steht aber etwas
höher oder tiefer. Alsdann ist seine ganze erleuchtete Hälfte oder sein
Tag gegen die Sonne gekehrt, und seine Nacht schaut herab gegen uns. Vom
Neumond an, wenn der Mond auf seinem Umlauf zwischen der Sonne und Erde
heraustritt, und sich gleichsam mit ihnen in den Triangel stellt,
erblicken wir zuerst einen schmalen Streif von der erhellten Mondkugel,
der immer größer wird bis zum ersten Viertel.
Das erste Viertel ist, wenn der Mond so steht, daß gerade die Hälfte von
der erleuchteten Halbkugel, oder der vierte Teil von dem Mond gegen uns
im Licht ist, und die Hälfte von der verfinsterten Halbkugel im
Schatten. Da kann man recht sehen, wie Gott das Licht von der Finsternis
scheidet, und wie auf den Weltkörpern der Tag neben der Nacht wohnt, und
wie die Nacht von dem Tag bis zum Vollmond allmählig besiegt wird.
Der Vollmond ist, wenn der Mond auf seinem Kreislauf um die Erde, hinter
der Erde steht, also daß die Erde zwischen ihm und der Sonne schwebt,
aber etwas tiefer oder höher. Alsdann können wir seine ganze erleuchtete
Hälfte sehen, wie sie von der Sonne erleuchtet wird, und aus unserer
Nacht hinaufschauen in seinen Tag. Vom Vollmond an, wenn der Mond sich
wieder auf der ändern Seite herumbiegt um die Erde, kommt wieder etwas
von seiner finstern Hälfte zum Vorschein, und immer mehr bis zum letzten
Viertel.
Das letzte Viertel ist, wenn wieder die eine Hälfte der Halbkugel, die
gegen uns steht, erleuchtet, und die andere verfinstert ist, und jetzt
kann man sehen, wie die Nacht den Tag besiegt, bis sie ihn im Neumond
wieder verschlungen hat. Dies ist der Mondwechsel.
Sechstens aber, und wenn der Mond und die Erde einmal in schnurgrader
Linie vor der Sonne stehen, so geschehen noch ganz andere Sachen, die
man nicht alle Tage sehen kann, nämlich die Finsternisse. Wenn der
dunkle Neumond je zuweilen in seinem Lauf gerade zwischen die Erde und
die Sonne
hineinrückt, nicht höher und nicht tiefer, so können wir vor ihm am
hellen Tag die Sonne nimmer sehen, oder doch nicht ganz, und das ist
alsdann eine Sonnenfinsternis; die Sonnenfinsternis kann nur im Neumond
stattfinden. Wenn aber im Vollmond die Erde gerade zwischen die Sonne
und zwischen den Mond hineintritt, nicht höher und nicht tiefer, so kann
die Sonne nicht ganz an den Vollmond scheinen, weil die Erde ihren
Strahlen im Wege steht. Dies ist alsdann die Mondsfinsternis. Die
Dunkelheit, die wir am Mond erblicken, ist nichts anders als der
Schatten von unserer eignen Erde, und ein solches Exempel am Mond kann
nur im Vollicht statuiert werden. Alle diese Finsternisse nun, die
einzig von der Bewegung des Monds und der Erde herrühren, wissen wir
Sternseher und Kalendermacher ein ganzes Jahr, und wer's verlangt, auf
weiter hinaus vorherzusagen, und der Hausfreund gibt jetzt wenig gute
Worte mehr, wenn einer kommt, der nicht glauben will, was bisher von den
Himmelslichtern gesagt worden ist, und ferner soll gesagt werden. „Woher
wißt ihr", fragt der vorsichtige Leser, „daß die Sonne und der Mond so
groß ist, oder so, so weit oder so nahe; und daß sich die Erde und der
Mond auch ganz gewiß so bewegen, wie's euch vorkommt? Wer ist dort
gewesen und hat's gemessen?" Antwort: Wenn wir das nicht gewiß wüßten
und auf das Haar, so könnten wir nicht auf ein ganzes Jahr, und wer's
verlangt, auf weiter hinaus eine Finsternis voraussagen, auf welchen
Tag, ja auf welche Minute sie anfängt, und wie tief sie sich in den Mond
oder in die Sonne hineinfrißt. Oder sagt's auch voraus, wenn ihr könnt,
und warum sucht ihr es im Kalender, wenn ihr meint, wir fallieren.
Siebentens, und wenn der Mond in seinem vollen Licht am Himmel
erscheint, sieht er bei allem dem kurios aus mit seinem trüben Gesicht,
und mit seinen helleren und blassern Flecken. Denn bekanntlich ist die
Helle nicht gleichmäßig über ihn verbreitet, sondern ungleichmäßig.
Damit hat er die Gelehrten lange Zeit vexiert, und ihnen weisgemacht,
die helleren Teile seien Land, von welchem die Lichtstrahlen wieder
zurückprellen, und die dunkleren seien Wasser, welches die Lichtstrahlen
verschluckt. Allein mit einem kapablen
Perspektiv, wie es in vorigen Zeiten keine gab, hat ein rechtschaffener
Sternseher, namens Schröter, ganz andre Dinge
auf dem Mond entdeckt als Land und Wasser, nämlich auch Land, aber kein
Wasser, sondern weite Ebenen, hohe Berge und tiefe Abgründe von
wunderbarer Gestalt und Verbindung. Hat er nicht ihren Schatten sogar
beobachtet, und wie er sich von Abend gegen Morgen bewegt, verkürzt und
verlängert? Hat er nicht zuletzt sogar aus dem Schatten der Berge ihre
Höhe ausgerechnet, gleichsam wie ein Exempel aus der Regeldetri? Die
höchsten Berge auf dem Mond sind höher als die höchsten auf der Erde,
nämlich 25 000 Fuß. Der Hausfreund hat Respekt vor dem Sternseher, und
vor der göttlichen Allmacht, die einem schwachen Menschenkind den
Verstand und die Geschicklichkeit geben kann, auf 50 000 Meilen weit
Berge auszumessen, die unsereiner (der geneigte Leser ist gemeint) gar
nicht sieht. Fragt man nun noch
Achtens und letztens, was denn eigentlich der Mond am Himmel zu
verrichten hat? - Antwort: Was die Erde. Soviel ist gewiß, er erhellt
durch sein mildes Licht, welches der Widerschein von seinem Sonnenschein
ist, unsere Nächte, und sieht zu, wie die Knaben die Mägdlein küssen. Er
ist der eigentliche Hausfreund und erste Kalendermacher unserer Erde,
und der oberste General-Nachtwächter, wenn die andern schlafen.
Hinwiederum scheint die Erde mit ihrem Sonnenglanz, in wechselndem
Licht, an die finstere Halbkugel des Monds, und erhellt ihre lange,
lange Nacht. Was will der geneigte Leser sagen! Sieht man nicht in den
ersten Tagen des Neulichts, wenn der Mond noch wie eine krumme Sichel am
Himmel steht, sieht man nicht auch den übrigen dunkeln Teil seiner
Scheibe, oder seine Nacht durch einen schwachen grünlichen Schimmer
erhellt? Das ist eine Wirkung des Sonnenscheins, der von der
erleuchteten Halbkugel unserer Erde auf den Mond fällt, oder ist der
Erdschein im Mond.
Zudem ist es gar wohl möglich, daß auch jener Weltkörper allerlei
vernünftige und unvernünftige Geschöpfe von kuriosen Gestalten und
Eigenschaften beherbergt, die uns alles besser sagen könnten, und die
sich in ihrer Nacht auch über den milden Erdschein freuen. Vielleicht
glauben die einfältigen Leute dort auch lange her, die Erde gehe um den
Mond herum, und sei bloß wegen ihnen da, und wir könnten's ihnen auch
besser sagen. |