Untreue schlägt
den eigenen Herrn (1808)
Als in dem Krieg
zwischen Frankreich und Preußen ein Teil der französischen Armee nach
Schlesien einrückte, waren auch Truppen vom rheinischen Bundesheer
dabei, und ein bayerischer oder württembergischer Offizier wurde zu
einem Edelmann einquartiert, und bekam eine Stube zur Wohnung, wo viele
sehr schöne und kostbare Gemälde hingen. Der Offizier schien recht große
Freude daran zu haben, und als er etliche Tage bei diesem Mann gewesen
und freundlich behandelt worden war, verlangte er einmal von seinem
Hauswirt, daß er ihm eins von diesen Gemälden zum Andenken schenken
möchte. Der Hauswirt sagte, daß er das mit Vergnügen tun wollte, und
stellte seinem Gaste frei, dasjenige selber zu wählen, welches ihm die
größte Freude machen könnte.
Nun, wenn man
die Wahl hat, sich selber ein Geschenk von jemand auszusuchen, so
erfordern Verstand und Artigkeit, daß man nicht gerade das Vornehmste
und Kostbarste wegnehme, und so ist es auch nicht gemeint. Daran schien
dieser Mann auch zu denken, denn er wählte unter allen Gemälden fast das
schlechteste. Aber das war unserm schlesischen Edelmann nichts desto
lieber, und er hätte ihm gern das kostbarste dafür gelassen. „Mein Herr
Obrist", so sprach er mit sichtbarer Unruhe, „warum wollen Sie gerade
das geringste wählen, das mir noch dazu wegen einer andern Ursache Wert
ist? Nehmen Sie doch lieber dieses hier oder jenes dort." Der Offizier
gab aber darauf kein Gehör, schien auch nicht zu merken, daß sein
Hauswirt immer mehr und mehr in Angst geriet, sondern nahm geradezu das
gewählte Gemälde herunter. Jetzt erschien an der Mauer, wo dasselbe
gewesen war, ein großer feuchter Fleck. „Was soll das sein?" sprach der
Offizier, wie erzürnt, zu seinem todblassen Wirt, tat einen Stoß, und
auf einmal fielen ein paar frisch gemauerte und übertünchte Backsteine
zusammen, hinter welchen alles Geld und Gold und Silber des Edelmanns
eingemauert war. Der gute Mann hielt nun sein Eigentum für verloren,
wenigstens erwartete er, daß der feindliche Kriegsmann eine namhafte
Teilung ohne Inventarium und ohne Kommissarius vornehmen werde, ergab
sich gedultig darein, und verlangte nur von ihm zu erfahren, woher er
habe wissen können, daß hinter diesem Gemälde sein Geld in der Mauer
verborgen war. Der Offizier erwiderte: „Ich werde den Entdecker
sogleich holen lassen, dem ich ohnehin eine Belohnung schuldig bin";
und in kurzer Zeit brachte sein Bedienter - sollte man's glauben - den
Maurermeister selber, den nämlichen, der die Vertiefung in der Mauer
zugemauert und die Bezahlung dafür erhalten hatte.
Das ist nun
einer von den größten Spitzbubenstreichen, die der Satan auf ein
Sündenregister setzen kann. Denn ein Handwerksmann ist seinen Kunden die
größte Treue, und in Geheimnissen, wenn es nichts Unrechtes ist, so viel
Verschwiegenheit schuldig, als wenn er einen Eid darauf hätte.

Aber was tut man
nicht um des Geldes willen! Oft gerade das nämliche, was man um der
Schläge, oder um des Zuchthauses willen tut, oder für den Galgen,
obgleich ein großer Unterschied dazwischen ist. So etwas erfuhr unser
Meister Spitzbub. Denn der brave Offizier ließ ihn jetzt hinaus vor die
Stube führen, und ihm von frischer Hand 100, sage hundert Prügel bar
ausbezahlen, lauter gute Valuta, und war kein einziger falsch darunter.
Dem Edelmann aber gab er unbetastet sein Eigentum zurück. - Das wollen
wir beides gutheißen, und wünschen, daß jedem, der Einquartierung haben
muß, ein so rechtschaffener Gast, und jedem Verräter eine solche
Belohnung zuteil werden möge.
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