Das
Schatzkästlein
des rheinischen Hausfreundes ist eine von j. P. Hebel selbst
getroffene Auswahl aus dem Kalender Der Rheinländische Hausfreund
und
enthält Beiträge aus den Jahrgängen 1803 bis 1811. Eine weitere, zunächst
geplante Folge mit Texten aus den folgenden Jahren kam nicht zustande.
Bezüglich des Schatzkästleins stehen den interessierten wie "geneigten"
Lesern umfangreiche Informationen auf dem Buchmarkt, in Bibliotheken -
seit neustem auch im Internet - ebenso wie eine Vielzahl von Nachdrucken
zur Verfügung.
Bezüglich des Rheinländischen Hausfreunds sieht die Sachlage leider völlig
anders aus,
hier können wir lediglich auf ein (allerdings ausgezeichnetes) Werk
verweisen:
Ludwig Rohner (Hrsg.), Faksimiledruck der Jahrgänge 1808-1815 und 1819
des "Rheinländischen Hausfreunds" von Johann Peter Hebel,
Wiesbaden: Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion, 1981
Zu
diesem Faksimiledruck gibt es einem Kommentarband, aus dessen
Vorwort wir zum besseren Verständnis hier zitieren möchten:
HEBEL verdankt seinen Ruhm als Klassiker der kurzen
Erzählung fast ausschließlich dem "Schatzkästlein des Rheinischen
Hausfreundes". Diese von HEBEL selbst getroffene Auswahl aus dem Kalender
ist bis heute gegen dreihundertmal nachgedruckt worden, überwiegend in
Bearbeitungen, Auslesen und Brevieren. Der Auswahlband vereinigt 127
Beiträge aus den Jahrgängen 1803 bis 1811. (...) Vom Verleger und
zeitweilig auch vom Verfasser war es als erster Teil gedacht; zum
Fortsetzungsband ist es nicht gekommen. Das Buch wendet sich an andere
Leser als der jährliche Kalender. Der Kalenderrahmen ist verschwunden, der
Kalendertext für ein weitläufiges Publikum kräftig „revidiert"; man darf
von zwei verschiedenen Fassungen sprechen. Man hielt sich in der Folge am
liebsten an das Schatzkästlein und griff nur selten auf den Kalender
zurück. Die Erstausgabe der Werke bot zwar den Wortlaut des Kalenders,
machte aber den ursprünglichen Zusammenhang vergessen; sie unterschlug
nicht nur die 31 Originalillustrationen, sondern verwies auch über 50
Kalenderbeiträge in einen Allerweltsband Vermischte Aufsätze. Später
bürgerte es sich ein, bis 1811 die Fassung des Schatzkästleins und
anschließend nach dem Kalender zu drucken. Zuweilen begnügte man sich mit
Proben aus den Jahrgängen nach 1811. Dass die berühmtesten Erzählungen
HEBELS alle im Schatzkästlein stehen, hat damit zu tun.
Der Rheinländische Hausfreund schien, wie vom Autor
[gemeint ist L. Rohner] befürchtet,
unterzugehen. Jedenfalls ist er seit seinem Erscheinen vor 170 Jahren kein
einziges Mal originalgetreu nachgedruckt worden (auch nicht in unserer
Zeit der Reprints). Die Holzstiche, nach HEBELS genauen Anweisungen
angefertigt, blieben während eines ganzen Jahrhunderts verschollen.
Das Original des Rheinländischen Hausfreunds ist ein Rarissimum, der
vollständige Satz der neun von HEBEL allein verfassten Kalender (mit
unverstümmeltem Jahrgang 1815) ein Unikat. Noch ein Glück, denn vom Lahrer
Hinkenden Boten sind die drei ersten Jahrgänge überhaupt nicht
aufzutreiben. Von 80 befragten deutschsprachigen Bibliotheken besitzen 70
kein einziges Exemplar des Hausfreunds, die anderen, Karlsruhe und Genf
ausgenommen, mehr oder minder vereinzelte Jahrgänge. In Privatsammlungen
sieht es nicht besser aus. Nach den Antiquariatskatalogen sind seit 1900
auf dem Markt nur viermal einzelne Jahrgänge des Hausfreunds nachgewiesen,
und nur einmal, um 1960, wurde die fast lückenlose Folge der Kalender zum
Preis von DM 7800.-- angeboten (ohne den wichtigen ersten Jahrgang).
Dabei war der Rheinländische Hausfreund von
Anfang an ein großer Kalender. HEBEL gelang es, innerhalb von drei Jahren
die Auflage zu verdoppeln und auf fast 40 000 Exemplaren zu halten. (...)
HEBEL erreichte in Baden mindestens jede zweite Haushaltung; er selbst
spricht scherzhaft von 700 000 Lesern. Demnach wäre jedes Exemplar durch
die Hände von mehr als einem Dutzend Lesern gegangen. Der Kalender wurde
gelesen und — zerlesen. Er war verbreiteter als jedes andere Buch (man las
ihn auch anders, darum ist er unpaginiert). Doch er wurde verbraucht,
„ging unter". Das ist der Grund, warum sich selbst von den berühmtesten
Kalendern nur Einzelexemplare erhalten haben, zufällig. (...)
Das Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes hat den Rheinländischen
Hausfreund weitgehend aus dem literarischen Bewusstsein verdrängt. Selbst
BENJAMIN und BLOCH meinen, wo sie vom Hausfreund reden, den HEBEL des
Schatzkästleins.
(...)In vielem steht das Schatzkästlein hinter dem Kalender zurück. Was es
an Kunst gewann, hat es an Unmittelbarkeit verloren. Erst das Studium des
Originals, die Lektüre aller Beiträge in ihrer Entstehungsfolge und in
ihrem angestammten Kalenderrahmen (mit stetem Blick auf die ursprünglichen
Holzstiche) vermittelt ein getreues, unverkürztes Bild, erlaubt die
Überprüfung der landläufigen Ansichten und bestätigt HEBELS Rang als des
bedeutendsten deutschen Kalendermannes. Das war bisher nicht leicht. Die
Kenntnis des Originals beschränkt sich auf ein paar Fachleute. Noch steht
eine historisch-kritische HEBEL-Ausgabe aus (was den Rheinländischen
Hausfreund betrifft, kommen BEHAGHEL
und der WINKLER-Band [s. u.] einer solchen am nächsten). Dieser
Faksimiledruck, die erste Reproduktion von HEBELS Kalendern, ist ein
Beitrag dazu.
[ Referenzwerk zum Korrekturlesen für die Texte dieser
Website:
Johann Peter Hebel: "Poetische Werke",
Winkler Verlag München; 1961 ] |