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Wittwe wurde krank und
lag lange; Fran-
ziska that, was sie könnte, um ihre arme
Mutter zu pflegen, ihr geringer Taglohn
reichte aber so wenig zu, daß sie endlich ge-
nöthigt ward, des Abends umher zu gehen.
und mlldthätige Herzen um ein Allmosen an-
zusprechen. Endlich starb die Mutter, und
kaum war sie begraben, so verschwand Fran-
ziska, niemand wußte, wo sie hingekommen
war.
Sie hatte viel von Holland gehört, wo
so manche Fremden schon ihr Glück fanden,
und die Ueberlegung, daß es ihr da wenlg-
stens eben so gut als in E. gehen könne,
führte sie dahin. Den ganzen Weg über bet-
telte sie, und lebte überaus kümerlich, um
so viel Geld zu ersparen, daß sie sich kleiden
und die schlechtempfehlenden Lumpen ablegen
könnte. Ste war bis nach Rotterdam gekom
men, wo sie sich endlich im Stande sah,
sich einen zwar geringen, aber reinlichen An-
zug anzuschaffen Von aussen gepuzt, und
innerlich von einem allmächtigen Zutrauen
auf Gottes Führung gestärkt, ging sie nun
in den Straßen dieser Stadt umher, fest
entschlossen, sich gänzlich der unsichtbaren
Hand zu überlassen, die ihr auf ihrem wei-
ten Wege so manchen Wohlthäter erweckt
hatte. Zuletzt faßte sie sich ein schönes großes
Haus ins Auge, und ohne langes Bedenken
ging sie hinein. Eine freundliche Matrone
fütterte im Hofe ihre Hühner, und fragte
sie sehr liebreich: Was willst du, mein Kind?
Madame, antwortete sie in ihrer plattdeut-
schen Landesprache, ich komme weit her,
bin arm, suche Dienst: und fürchte, keine
zu bekommen, weil ich meine ganze Habe
auf dem Leibe trage. Die sollst du bei mir
haben, meine Tochter, antwortete die Dame.
Franziska blieb da, diente von unten auf
durch alle Stufen, und bekam endlich wegen
Ihres Wohlverhaltens die Stelle einer Kam-
merjungfer.
Die Dame war eine geborne Engelländer
rlnn, und Witwe eines holländischen Kauf-
manns. Ihr Neffe war der englische Doktor
B., der in Genua bei seinen dortigen Lands
leuten die Arzneiwissenschaft ausübte. Dieser
Doktor B. hätte die Gewohnheit, alle paar
Jahre seine alte Tante zu besuchen, und kam
auch jezt nach Rotterdam, als Franziska
eben die Kamnerjungferstelle erhalten hatte.
Sie war wegen ihres Verstandes und Her- |
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