9. Von dem Reich Gottes.
Von dieser Zeit an verkündigte
Jesus das Evangelium von dem Reich Gottes oder von dem Himmelreich,
nämlich die gute Botschaft, daß Gott die Menschen liebhabe und sich über
sie erbarme; daß er sie durch seinen Sohn von dem Irrglauben und von den
Gewohnheiten der Sünde erlösen wolle; daß er sie schon auf der Erde
fromm und froh in Gott und selig im Himmel haben wolle. Fromme Menschen
sind hier auf der Erde schon im Reich Gottes, fromme Kinder zum voraus.
Einst brachten die Leute Kinder zu Jesu, daß er sie möchte anrühren und
segnen. Die Jünger wehrten anfänglich den Leuten ab. Als es aber Jesus
sah, sprach er zu ihnen: »Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret
ihnen nicht; denn solcher ist das Himmelreich. Wahrlich, ich sage euch:
wer das Reich Gottes nicht empfähet [empfanget] wie ein Kindlein, der kommt nicht
hinein.« Als er dieses gesagt hatte, drückte er die Kinder an sein
liebevolles Herz, legte die Hände auf sie und segnete sie.
Mehr als einmal sprach er zu dem Volk und zu seinen Jüngern: »Werdet wie
die Kinder,« nämlich wie die guten. »Hütet euch«, sprach er, »auch, daß
ihr keines von diesen Kleinen irremachet oder zur Sünde verführet, die
an mich glauben; denn ich sage euch: ihre Engel im Himmel sehen allezeit
das Angesicht meines Vaters im Himmel.« Ferner: »Wer ein solches Kind
aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.«
Was sagt hiezu mein Herz? Ich will Jesum wieder lieben, der also die
Kinder lieb hat und segnet. Ich will seine Ermahnungen zur Gottseligkeit
kindlich befolgen und mich seiner schönen Verheißungen erfreuen. Ich
will meine Unschuld bewahren, daß ich mein Leben lang und ewig in dem
heiligen und seligen Reich Gottes bleibe, in welchem ich bin. Mein Engel
im Himmel sieht allezeit das Angesicht seines Vaters im Himmel. —
Von dem Jordan ging Jesus hinweg nach Jerusalem auf das Osterfest, wie
einst seine Mutter ihn gelehrt hatte. Gute Mutterlehre geht dem Herzen
nicht verloren. Damals kam zu ihm ein Mann in der Nacht, mit Namen
Nikodemus, ein vornehmer und gelehrter Mann. Er war aufmerksam auf Jesum
geworden. Er wollte ihn genauer kennen lernen. Er hatte die Ahnung, daß
er derjenige sei, welchen Gott bestimmt hatte, daß er die Menschen von
dem Irrtum und von der Sünde befreien sollte. Er sprach zu ihm: »Wir
wissen, daß du ein Lehrer bist, den Gott gesendet hat. Denn niemand kann
die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.«
Jesus redete mit ihm ebenfalls von dem Reich Gottes, und wie man
gleichsam von neuem geboren und wieder ein Kind werden müsse an Liebe
und Vertrauen. Zum Abschied und Andenken gab ihm Jesus nachher das
schöne Sprüchlein: »Also hat Gott die Welt geliebet, daß er seinen
eingebornen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren
werden, sondern das ewige Leben haben.«
Auch dieses ist eine Beschreibung des Reichs Gottes mit andern Worten.
Nikodemus hielt von dieser Zeit an Jesum in Ehren und war wohl einer von
seinen getreuen Anhängern, wiewohl in der Stille.
|