6. Johannes der Täufer.
Die Taufe Jesu.
Als die Zeit sich nahete, daß Jesus
die Werke der Erlösung unter den Menschen beginnen sollte, erschien
zuerst aus der Wüste hervor Johannes, der Sohn des Priesters Zacharias
und der Elisabeth, gleichwie der Morgenstern aufgeht, wenn die Sonne
bald kommen will. Gott gibt oft ein Zeichen vorher, wenn er etwas Großes
tun will, daß die Menschen darauf achten und sich darauf bereiten
sollen. Johannes taufte zur Buße, d. h. zur Besserung des Gemütes, zur
Umkehr von der Sünde zu Gott. »Tut Buße,« sagte er; »denn das
Himmelreich ist nahe. Sehet zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße!«
Es kam zu ihm des Volkes eine große Menge aus Jerusalem und aus der
ganzen Gegend, daß sie sich taufen ließen und hörten, was sie tun
sollten. Es fragten ihn viele aus dem Volk: »Was sollen wir tun?«
Johannes sagte: »Wer zwei Röcke oder Überfluß an Speise hat, der gebe
dem, der nicht hat.« — Es fragten ihn die Zollbedienten: »Was sollen wir
tun ?« — Johannes antwortete: »Fordert nicht mehr, als euch gesetzt
ist.« — Es fragten ihn auch die Soldaten. Den Soldaten gab er das Gebot:
»Tut niemand Gewalt noch Unrecht und lasset euch begnügen an eurem
Sold.« — Daraus kann nun jeder andere schon abnehmen, was er in seinem
Stand, Amt und Beruf zu tun und zu lassen habe, und daß die Buße nicht
getan sei mit leerer Einbildung oder mit schönen Reden und abgelernten
Gebeten; sondern daß sie fruchtbar sei, vordersamst in Werken der
Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit. Das sind die »rechtschaffenen
Früchte der Buße«.
Viele Leute kamen auf den Gedanken, Johannes sei Christus, der
Verheißene. Die Juden sandten von Jerusalem Priester und Leviten zu ihm,
daß sie ihn fragten: »Wer bist du?« Johannes bekannte: »Ich bin nicht
Christus.« — »Was bist du denn? Bist du Elias?« — Johannes sprach: »Jch
bin es nicht.« — »Oder bist du sonst einer von den Propheten?« — Er
antwortete: »Nein.« — Denn es war unter den Juden eine seltsame Sage,
daß vor dem Messias der Prophet Elias oder der andern Propheten einer
wiederkommen werde. Deswegen war vielen von ihnen Johannes nicht gut
genug. Es ist eine böse Untugend gar vieler Menschen, daß ihnen Gottes
Gnade, so wie er sie ihnen anbietet, nicht gut genug ist, und daß sie
etwas Besonderes verlangen.
Als nun der wahrheitliebende Johannes sein Bekenntnis abgelegt hatte,
sprachen die Priester: »Was bist du denn, wenn du das alles nicht sein
willst?« Johannes sprach: »Ich bin die Stimme eines Predigers in der
Wüste; bereitet dem Herrn den Weg!« — Die Priester fragten ihn noch
einmal: »Warum taufest du denn, wenn du nicht Christus bist?« — Darauf
erwiderte Johannes: »Ich taufe mit Wasser. Aber einer ist mitten unter
euch, den ihr nicht kennet. Der ist es, der nach mir kommt, welcher vor
mir gewesen ist. Der wird mit dem Heiligen Geist taufen.« Es war aber
auch Jesus an den Jordan gekommen und verlangte ebenfalls getauft zu
werden. Der demutsvolle Johannes weigerte sich dessen im Anfang; denn er
sprach: »Ich bedürfte eher, daß ich von dir getauft würde.« Aber Jesus
wußte wohl, was er zu tun hatte. Er sprach: »Es ist gerecht, daß ich die
Taufe von dir empfange.«
Es wurde aber in jenen warmen Gegenden also gehalten: Wer sich taufen
ließ, der tauchte sich ganz unter in dem Fluß und kam alsdann wieder
heraus, anzuzeigen, daß er jetzt gleichsam seine vorige Natur und
Beschaffenheit ablege, welcherlei sie war, und daß er jetzt etwas anders
sei und sein wolle, wozu ihn Gott berufen habe, ein neuer Mensch. Also
war Jesus, der Sohn Mariä, getauft von Johannes. Als Jesus getauft war
und aus dem Jordan heraufstieg, alsbald tat sich die Klarheit des
Himmels über ihm auf, und Johannes sah den Geist Gottes gleich als eine
Taube vom Himmel herabfahren und über ihn kommen. Denn die Taube ist das
schöne Sinnbild der Sanftmut und des Friedens. Also kam der Geist Gottes
auf Jesum, der ein Geist der Sanftmut und des Friedens ist, und eine
Stimme vom Himmel herab sprach: »Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich
Wohlgefallen habe.«
Das war die Taufe, welche Jesus empfangen hatte.
|