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3. Der Sündenfall.

 

Die Geschichte der ersten Menschen und ihrer ersten Nachkommen kann nur mit einem kindlichen und frommen Gemüt recht angeschaut werden. Denn wir sehen in eine wundersame Vorwelt zurück, wo alles anders ist; wie in einem Traum. der sich in einer frommen Seele gestaltet, wo der Himmel über der Erde offen steht, und wo Engel herabkommen und die guten Kinder grüßen und segnen. Aber die bösen warnen sie und weinen über ihre Verführung.

Adam und Eva gingen noch nackt umher wie die Kindlein und wußten es nicht. Sie waren noch unschuldig wie die Kindlein und kannten noch nicht den Unterschied zwischen Gut und Böse. Sie fühlten keinen Schmerz; sie fühlten keinen Kummer. Sie wußten nichts von dem Tod. Gott der Herr wies ihnen einen schönen Garten in einer wasserreichen Gegend zur Wohnstätte an, welcher der Garten Gottes oder Eden oder das Paradies genannt wird. In dem Garten standen Bäume aller Art, schön zum Ansehen und einladend zum Genuß ihrer köstlichen Früchte.

Aber mitten im Garten standen zwei wunderbare Bäume, ein Baum des Lebens und ein Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen. Gott der Herr besuchte seine Kinder im Garten; er kam zu ihnen und sagte: »Ihr dürft essen von allerlei Bäumen im Garten; aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen dürft ihr nicht essen; denn wenn ihr davon esset, müßt ihr sterben.« Gott wollte ihnen Gelegenheit geben mit einem Verbot, ihr Vertrauen zu ihm, ihre Liebe und ihre Dankbarkeit durch Gehorsam an den Tag zu legen. -

Denn nur durch kindlichen Gehorsam legt sich das rechte Vertrauen und die wahre Liebe zu dem Vater im Himmel an den Tag, wie zu den Eltern aus Erden. -

Da kam mit farbenreichen, schillernden Schuppen und in schönen Windungen eine glatte Schlange; denn also kommt die Verführung. Die Schlange kam zum Weibe und sprach: »Ist’s denn also, daß euch Gott verboten hat, von den Bäumen im Garten zu essen?« Eva sagte: »Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten. Nur von den Früchten des Baums mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon; rühret es auch nicht an, daß ihr nicht sterbet!« Da sprach die Schlange, das sei nicht so gemeint. »Ihr werdet mitnichten sterben, sondern, welches Tages ihr davon esset, so werden eure Augen aufgetan und werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. Das weiß Gott wohl.«

Da schaute Eva den Baum darum an, und als sie ihn anschaute, da war die Sünde schon halb begangen. Denn wer stehenbleibt, wo die Versuchung lockt, und Wohlgefallen findet an ihren glatten Lügen, und schaut das Verbotene an, daß es lieblich und lustig sei, der hat die Sünde schon halb begangen. Also tat Eva und verachtete die Warnung Gottes und nahm und aß und gab ihrem Manne auch davon. Als sie aber gegessen hatten, schauten sie einander an, und plötzlich kam über sie die Angst, und jedes fühlte, daß sie jetzt ihre Unschuld und die Seligkeit des Paradieses verscherzt hatten, und bedurften nicht, es einander zu sagen. Sie gingen still in das Gebüsch und versteckten sich.

Gott kam in den Garten in des Tages Kühle: »Adam, wo bist du? Hast du nicht gegessen von dem Baum, davon ich dir gebot: du sollst nicht davon essen?« Adam sagte: »Das Weib hat mich dazu verführt.« Das Weib sagte: »Die Schlange hat mich betrogen.« Auf die Übertretung folgt der Lohn. -

Gott sprach: »Ich will Feindschaft setzen zwischen der Schlange und dem Weibe und ihrer Nachkommenschaft. Des Weibes Nachkomme wird der Schlange den Kopf zertreten, und sie wird ihn in die Ferse stechen« Zu dem Weibe sprach Gott: »Viel Schmerzen soll die Frucht deiner Übertretung sein. Mit Schmerzen sollst du Kinder gebären, und dein Wille soll deinem Manne unterworfen sein.« Zu Adam aber sprach er: »Du sollst dich mit Kummer aus dem Acker nähren dein Leben lang. Im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zur Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zur Erde werden.« Hierauf gab ihnen Gott der Herr Kleider, daß sie ihre Blöße bedeckten, und führte sie aus dem schönen Garten hinaus in eine öde Gegend, daß Adam das Erdreich ballete, von dem er genommen ist.

Denn als sie die Unschuld verloren und gesündigt hatten, konnten sie die Lebensruhe und die seligen Kinderfreuden des Paradieses nimmer genießen. Wer die Unschuld verloren hat, kann in keinem Paradies mehr glücklich sein. Von der verjüngenden Frucht am Baum des Lebens zu kosten, ward ihnen nicht mehr möglich.

 
 
 
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