31. Saul der König in
Israel.
Hierauf versammelte der Prophet die
Stämme von Israel nach Mizpa, daß er ihnen nach dem Willen des Herrn
ihren neuen König vorstellte. Saul war ein schöngewachsener, kraftvoller
Mann, um einen Kopf größer als fast der größte Mann in Israel. »Da seht
ihr,« sprach Samuel, »welchen der Herr erwählt hat; denn ihm ist keiner
gleich in Israel.« Als nun die Stämme den schönen, ansehnlichen Mann
erblickten, jauchzten sie vor Freude und riefen: »Glück sei dein König!«
Doch waren auch lose Leute unter dem Volke, welche ihn verachteten und
sprachen: »Was kann uns dieser helfen?« Aber Saul tat, als hörte er es
nicht. Saul war ein tapferer und gutmütiger Mensch. Die Ammoniter
belagerten die Stadt Jabes und wollten allen Einwohnern das rechte Aug’
ausstechen. Sie hatten nur noch sieben Tage Zeit, sich zu ergeben. Die
geängstigten Einwohner von Jabes schickten Boten nach Benjamin und in
die Stadt Sauls, daß ihnen Hilfe und Rettung würde. Am siebenten Tage
früh in der Morgenwache kam Saul mit helfender Hand in das Lager der
Ammoniter. Er schlug sie, daß ihrer nicht zwei beieinander blieben, und
rettete also die Einwohner von dem schrecklichen Unglück, das ihnen
bevorstand.
Damals sprach das Volk: »Nun gebt die her, welche den Saul nicht wollten
zum Könige haben, daß wir sie töten!« Aber der biedere König sagte: ,,Es
soll auf diesen Tag niemand sterben; denn der Herr hat heute Heil
gegeben in Israel« O, wenn doch alle Leute so dächten, nichts Böses zu
tun, wenn ihnen Gott Heil gegeben hat. Gott gibt uns alle Tage Heil.
Mit diesem Sieg und mit dieser großartigen Rede gewann Saul alle Herzen.
Alle huldigten ihm in Gilgal und freuten sich sehr. Als nun Samuel vor
dem Volke und vor dem König sein Richteramt niederlegte, sprach er unter
anderm die Worte: »Ich bin vor euch hergegangen von meiner Jugend aus
bis auf diesen Tag. Von nun an geht euer König vor euch her. Siehe, hier
bin ich! Antwortet wider mich vor dem Herrn und seinem Gesalbten, ob ich
jemands Ochsen oder Esel genommen habe; ob ich jemand habe Gewalt oder
Unrecht getan; ob ich mir durch ein Geschenk habe die Augen blenden
lassen?« Das sind ein paar herzhafte Fragen. Mancher stellte sich lieber
vor eine feindliche Batterie als vor seine Verwandte oder Mitbürger oder
Untergebene, wenn er solche Fragen an sie tun müßte. Aber was antwortete
dem Samuel ganz Israel? »Du hast uns kein Unrecht getan und von niemands
Hand etwas angenommen.« Ein solches Zeugnis ist mehr wert als ein
gestohlener Ochs, ja mehr als alles ungerechte Geld« und Gut, besonders
wenn ein Stündlein kommt, wo Geld und Gut zurückbleibt und das Gewissen
mitgeht. Das Gewissen geht mit.
Saul aber und Jonathan mit ihm, sein wackerer Sohn, verrichteten noch
viele Heldentaten und retteten Israel von der Hand aller, die sie
drückten.
Aber so tapfer der König war, so wenig war er klug. Als er immer
mächtiger wurde, so ward er auch immer sicherer und unvorsichtiger und
tat dem Samuel nimmer die gebührende Ehre an, so er doch ein Prophet war
und in dem Namen Gottes mit ihm redete, und folgte seinen Ermahnungen
und Vorschriften nimmer. Dies geschah besonders in einem Krieg wider die
Amalekiter. Da ging etwas vor, was nicht hätte sein sollen. Der Prophet
kam entrüstet in das Lager und redete zu dem König: »Weil du der Stimme
des Herrn deines Gottes nicht gehorcht hast, so hat der Herr heute das
Königreich Israel von dir genommen.« Nämlich, daß die königliche Würde
nicht bei seinem Geschlechte bleiben und sein Sohn Jonathan nicht König
werden sollte nach seinem Tode. Von dieser Zeit an sah Samuel den Saul
nicht mehr, solange er lebte. Saul aber wurde schwermütig in seinem
Herzen, und von Zeit zu Zeit überfielen ihn unruhige und schreckhafte
Gedanken.
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