zurück Predigt am dritten Sonntage nach Trinitatis 1792
   

 

Erbarmender guter Vater, die Erde ist so voll deiner Güte, deine Führungen, auch wo unser kurzer Blick sie nicht zu verfolgen vermag, so weise und gut, das Ziel, zu welchem du uns berufen hast, so groß und herrlich, unsres Danks, unsres freudigsten Hoffens, des unermüdeten Ringens werth. — Laß nie Kleinmuth und Unzufriedenheit mit deinen Verhängnissen unser Herz, nie Undank und ungerechte Klagen unsre Lippen entweihen. Auch wenn wir es schmerzlich fühlen, daß wir, noch ferne von unserm bessern Loos, Pilger im Lande der Vergänglichkeit sind, wenn unvermeidliche Leiden unsre Stirne trüben, und wenn wir unter den Widerwärtigkeiten seufzen, die unsrer eignen Thorheit Früchte sind, so laß doch stets den frohen tröstenden Gedanken in unserm Herzen leben, daß du Vater seyst, und sorgest, und deine guten Zwecke nimmermehr verfehlst. Laß uns dadurch, daß wir den Gedanken an das Vergangene mit der Gegenwart, und die Gegenwart mit der Zukunft verbinden, stets weiser, besser und beruhigter werden. — Und sorge du ferner, — du hast es bisher gethan treuer Vater, — für uns, und die Unsrigen, und für alle deine Kinder auf der Erde. Segne unsre Arbeit und Mühe. Laß uns stets das Beste wählen; — zuerst nach deinem Reich und nach deiner Gerechtigkeit trachten, und mit Zittern fühlen, wie theuer auch das glänzendste Glück des Erdenlebens durch eine Sünde erkauft werde. Laß uns auch in dieser Stunde wahrnehmen, daß Weisheit, Kraft und Trost dein Wort begleite. V. U.

Text: 1. Petrus 5, 6 — 11

6 So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit.
7 Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.
8 Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.
9 Dem widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass ebendieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen.
10 Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen.
11 Ihm sei die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

 

Oft vernehmen wir unter den Menschen den mißmuthigen Ton der Klagen über den Gang der Dinge, über ihr ganzes Schicksal oder wenigstens über ihre gegenwärtige Lage. Seltener vielleicht hören wir die Stimme des Danks und der Freude aus ganz zufriedenen Herzen ausgehen. Sollte denn der Vater der Menschen, als er mit schöpferischer Hand den Erdenbewohnern ihr Schicksal zumaß, wirklich mehr Anlaß zur Klage als zur Zufriedenheit in den Lauf der Dinge verflochten haben? Oder wenn es auch nur die wenigern sind, die desto unaufhörlicher klagen, sollte der Vater aller auch nur wenigen mehr Elend als Wonne zugeschieden haben? Sollte der Gütige auch nur ein Wesen mit Empfindung, Bewußtsein und Vernunft belebt haben, wenn er ihm nichts besseres als ein Uebermaß von Leiden zur Aussteuer in das Gebiet des ewigen Daseyns mitgeben konnte? Vielleicht steht es um das Loos der Menschheit besser, als wir oft wähnen. Vielleicht sehen nur wir die Sache nicht immer von der rechten Seite an, oder wissen uns nicht immer weise genug nach den Umständen zu verhalten. Laßt uns die Belehrungen des Apostels an unserm Texte beherzigen. Er redet mit Menschen, deren Lage wirklich sehr ungünstig schien. Sie hatten ausser den allgemeinen Nöthen, womit die Menschheit zu kämpfen hat, sich noch durch Annehmung der christlichen Religion den Haß ihrer nächsten Verwandten, die kränkende Kälte und Verachtung ihrer bisherigen Freunde, und die unaufhörlichen Verfolgungen wüthender Feinde der Wahrheit zugezogen. Und das bessere Glück, das Wohl ihres unsterblichen Geistes, das sie gegen die Aufopferung ihrer zeitlichen Lebensruhe eingetauscht hatten, war selbst noch ein so gar unsicherer Besitz; sie hatten noch mit so vielen Anfechtungen und Versuchungen von innen und von aussen, noch so lange mit der Gefahr eines traurigen Rückfalls zu kämpfen. Unter diesen Umstanden tröstet, ermuntert und ermahnet sie der Apostel durch seinen ganzen Brief, faßt am Ende desselben in unserm Text das Beste noch einmal, kurz und bündig zusammen, und gibt damit ihnen und uns, — was wir auch eurer christlichen Liebe zur Betrachtung vorstellen, eine Anweisung zur Zufriedenheit mit unsern Schicksalen.

Er lehret uns:

1. unsere Schicksale von der rechten Seite ansehen,

2. uns auf die rechte Art dabei betragen.

Demüthiget euch unter die gewaltige Hand Gottes, so sehr diese Worte ausser ihrem Zusammenhang dazustehen scheinen, denn sie machen den Beschluß einer vorhergegangenen Ermahnung zur Demuth und Bescheidenheit, so bequem und passend sind sie zu unsrer Absicht; sie geben uns den erstens Wink zur richtigen Schätzung unsrer Schicksale. Sie erinnern uns an unsre Verhältnisse mit dem, der alles von Anbeginn her lenkte, der Jeden an seine Stelle setzte, Jedem seine Freuden und Leiden zum Theil gab, von dem wir allein die Erfüllung aller unsrer Wünsche erwarten, und fordern müssen, wenn wir glauben etwas fordern zu können. Die Vernunft und Religion, das Wort unsers Erlösers heißt uns erwarten, daß der das Leben gab auch die Speise gewähren, der den Leib schuf auch die Kleider bescheren, oder daß er, der uns Daseyn gab, auch für das, was zur Erhaltung desselben erforderlich ist, hinreichend sorgen werde. Und noch selbst zu dieser geringsten Erwartung berechtiget uns nichts anders als der vernünftige Glaube, daß der Allweise mit unsrer Schöpfung einen Zweck verbunden habe, und durch Erhaltung des Geschaffenen seinen Zweck ausführen werde. Aber der Mensch, das ungenügsame, wunderliche, stolze Erdengeschöpf, macht oft so hohe Anmaßungen an seinen Schöpfer, macht eine Menge Forderungen und Bedingnisse um zufrieden und glücklich zu sein, Ansprüche auf Dinge, die von dem Zweck seines Daseyns so ferne liegen, Ansprüche auf Dinge, die diesem Zweck so auffallend widersprechen, hält sich für berechtigt, alles zu finden, weil sein Schöpfer alles geben könne, und grämt sich am Ende und klagt, nicht weil er unglücklich ist — sondern weil er so weit unten unter der Stufe von Glückseligkeit zurückblieb, auf die er rechnete, die er nun einmal zu seinem Ziel wählte.

Demüthiget euch unter die gewaltige Hand Gottes. Nehmet jedes Gute, das sie euch entgegen bietet, mit Dank und Genügsamkeit an. Traget jede Last, die sie auf euch legt, mit stiller Geduld. Erkennet auch in dem Trunke edlen Wassers eine Wohlthat, das er für euch im Schooß der Erde sich läutern und sammeln hieß. Preiset ihn auch für die Nahrung des trockenen Brodes; er pflegte der Saat des Feldes lange Monate hindurch, begoß sie mit Frühregen und Spätregen, und trocknete sie wieder in lieblichem Sonnenschein, um in diesem Augenblicke euern Hunger zu stillen. Danket ihm für die Stunde der Ruhe, die euch noch am Ende einer durchwachten Nacht erquickt; er gönnte sie euch voll Vatermilde, um wenigstens so lang euern Kummer zu zerstreuen, und euch zu neuer Duldung zu stärken. — Wenn nur der Besitz dessen, was wir erwarten, Zufriedenheit, jedes Mindere Mißmuth, jedes Mehrere unerwartete Freude und Wonne erweckt, warum wollen wir, die wir an den Schöpfer sogar nichts ansprechen können, nicht am liebsten mit dem Mindesten uns begnügen? Wir werden so am leichtesten unsern Zweck — Zufriedenheit erreichen, am sichersten dem Unmuth den Zugang zum Herzen verschließen, am öftersten Anlaß finden, in einer unerwarteten Zugabe an Ruhe, Glück und Lebensfreuden die Güte des Ewigen zu erkennen. Verstehet den Sinn der Worte: es ist ein großer Gewinn, wer gottselig ist und lasset ihm genügen.

Ein großer Theil der Sterblichen würde vielleicht mit seinem Schicksal ganz wohl zufrieden seyn, es wenigstens noch immer erträglich finden, wenn er nur von nichts besserm wüßte, keine Gesättigtern, keine Geehrteren, keine Fröhlicheren über sich sähe. „Ich allein" seufzt der Trauernde, „soll mein kümmerliches Brod mit Thränen essen, ich allein mit einem siechen Körper an der überströmenden Quelle des Vergnügens darben, ich, gerade ich, über das Grab des letzten meiner Kinder die Thräne des Verlassenen weinen, ich allein unter so Vielen verkannt, zurückgestoßen, vergessen seyn. Und die Uebrigen, — was haben sie vor mir voraus? Sie genießen froh und immer und ganz das Glück des Lebens, und theilen mit leichtem Herzen auch den Antheil, der mir gebührte." — Falsch! Uebertrieben falsch! — Wisset, sagt der Apostel, daß eben dieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen; und im vorhergehenden Kapitel: Ihr Lieben, lasset euch die Hitze, so euch begegnet, nicht befremden, (die euch wiederfahret, daß ihr versuchet werdet), als wiederführe euch etwas Seltsames.

Es ist das allgemeine Loos der Menschheit: ihre Freuden sind mit Leiden vermischt. Warum glaubt der Klagende diese Art von Leiden allein, wenigstens im vollsten Maß zu tragen? Er weiß und fühlt natürlicher Weise besser, wie es in seinem Hause und in seinem Herzen aussieht, als in dem Herzen eines Andern. Jeder verschließt gern seine drückendsten Empfindungen in sich, und seufzet still, und stöhnet seine Klagen in der Einsamkeit oder unter wenigen Vertrauten aus.

Oder wenn sich auch der gesunde Arme neben den Reichen stellt, der vielleicht unter den Schmerzen der Krankheit seufzt, der geringe, müde Arbeiter in seiner stillen Verborgenheit neben den beneideten gepriesenen Vornehmen, der vielleicht so viele Unruhe und Kränkungen empfindet, der Einsame, der sich nie mit dem frohen Vaternamen rufen hörte, neben den Vater, der vielleicht die traurigen Verirrungen eines mißlungenen Sohns beweint, warum hält jeder seine Lage so gern und leicht für die traurigste? Er sieht und schätzt auf seiner Seite nur das Widerwärtige, an dem Andern nur das Vortheilhaftere, und übertreibt oft beides. Er glaubt zu seiner Zufriedenheit alles andere leichter entbehren zu können als das, was er gerade entbehrt, nicht weil es zu einem ruhigen und frohen Leben das unentbehrlichste wirklich ist, sondern weil er dessen Werth, indem er seinen Besitz vermißt, jetzt gerade am lebhaftesten, am innigsten, am gegenwärtigsten fühlt. Die mannigfaltigen Anlässe, die uns Kummer machen, sind sehr zufällig und gleichgültig. Die Empfindung, die durch den einen, wie durch den andern Anlaß erweckt wird, ist unser eigentliches Unglück. Und dann ist es in einem doppelten Sinne richtig gesagt, was der Apostel seinen Freunden zuruft: Wisset, daß eben dieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen. Wir fühlen alle, daß wir Menschen sind, und eine ungestörte Seligkeit auf der Erde nicht suchen dürfen.

Doch es ist wohl nur für Wenige, wenigstens nur für kurze Zeit, ein Trost, daß wir das Loos der Menschheit mit Vielen theilen, daß die, welche wir für die Glücklichsten halten, vielleicht nicht glücklicher sind, als wir. Es stellt wohl manchen Seelen edlern Gefühls nur die Welt noch trauriger vor, und macht ihnen das Gefühl ihrer Widerwärtigkeiten drückender, wenn sie glauben müssen, daß dieses Gefühl sich noch in so vielen andern Herzen vervielfältige. Laßt uns denn die Schicksale der Menschen noch von ihren schönsten Seiten betrachten. Wir leben ewig. Die Zeit unserer Unvollkommenheit und Plage nimmt den unbedeutendsten kleinsten Theil unsers glücklichern Daseyns weg. Und diese Widerwärtigkeiten sind eben erforderlich, uns alle Ewigkeit hindurch ein glückliches, ein frohes Daseyn zuzusichern. — Der Gott aller Gnade, der uns berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christo Jesu, derselbe wird euch, die ihr nur eine kleine Zeit leidet, vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen.

Wir irren allemal und müssen irren, wenn wir nach einem kaum bemerkbaren Theil das Ganze beurtheilen, den Anfang mit der Vollendung, die Absicht mit den Mitteln, die Vorbereitung mit der Ausführung verwechseln. Ist es ein unnützer, verdorbener Baum, wenn seine Früchte in den frühern Zeiten des Jahrs noch herb und ungenießbar sind? Sie werden sich im Strahl der wärmern Sonne zur köstlichen Labung mildern. Wollt ihr den Tag schon als einen trüben und unfreundlichen verwünschen, der mit einer düstern Dämmerung beginnt? Er wird sich in wenigen Minuten angenehm aufheitern, und euch zu euern Geschäften und Freuden leuchten. Oder näher zu unserm Gegenstand! Wollt ihr einen Menschen, den ihr jetzt zum erstenmal, und gerade in dieser Stunde fröhlich seht, beneidenswürdig und glücklich preisen, oder den, den ihr nun zum erstenmal, und gerade in diesem Augenblick trauernd erblickt, als einen Unglücklichen, Verlorenen bedauern, ihm wünschen, daß er nie geboren wäre? — Die Zeit unsrer Leiden ist ein kurzer wegeilender Augenblick unsers Daseyns, der Augenblick düsterer Dämmerung, die uns einen nahen fröhlichen Morgen ankündigt. Hinter dem Grabe erhebt sich der herrliche schöne Tag, den keine trübe Wolke mehr verdunkelt, keine Nacht mehr endigt. Nur die Ewigkeit muß es entscheiden, ob wir glücklich oder unglücklich sind. Unser jetziges Leben ohne die Ewigkeit betrachtet, das Leben des Weinenden wie des Frohlockenden, ist in alle Wege ein unbegreifliches Räthsel. Laßt uns bis zur nahen Aufklärung desselben jeden Unmuth, jedes traurige Urtheil zurückhalten. Haben wir hier kein Eigenthum, — die Erde ist auch nicht unser Vaterland. Drückt uns Kranke die Last körperlicher Leiden darnieder, der Körper ist auch nicht unser wesentlicher Bestandtheil. Lohnt unsere mühsam vollbrachten edelsten Thaten keine Aufmerksamkeit, kein Dank, keine Erkenntlichkeit, unser Weilen auf der Erde ist auch zu kurz, als daß das Gute auf ihr könnte vergolten werden, wie Gott vergelten will, Oder denken wir, ein thränenloser, leichter Pilgergang ins bessere Vaterland wäre doch noch wünschenswerther; — nein, Ruhe ist nur nach der Arbeit erquickend. Den Werth des Besten kann der nur ganz schätzen, der das Schlimmste geprüft hat. Die Krone des Sieges ehrt und lohnt nur den, der selber kämpfte. Unsre Tugenden und Vollkommenheiten, die sich hier entwickeln müssen, wenn sie in der Ewigkeit unser seyn, und die Quelle unsrer fortdauernden Seligkeit werden sollen, die Unterwerfung und Ergebenheit an Gott, die theilnehmende fromme Liebe, die muthige Selbstbeherrschung, der reine geläuterte Sinn fürs Edle, der rege thätige Eifer für alles Gute, konnten, Gott muß es wissen, unter keinen andern, als unsern gegenwärtigen Umständen sich entwickeln, bilden und für die Ewigkeit reifen. Der Gott aller Gnade, der euch berufen hat zur ewigen Herrlichkeit in Christo Jesu, derselbige wird euch dadurch, daß ihr eine kleine Zeit leidet, vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen.

Einer entscheidenden Ewigkeit so gewiß und so nahe — wie leicht müssen uns unsre irdischen Schicksale werden, wenn wir auch noch auf die rechte Art uns dabei betragen, ich meine, wenn wir, um ruhig zu leben und unsrer Erdentage froh zu werden , nicht alles allein, und nicht zu wenig selber thun wollen. Die Erfahrung, daß die Lenkung und Verbesserung unsrer Schicksale zum Theil über unsre Macht erhaben, zum Theil unserer Weisheit und Tätigkeit überlassen ist, muß uns zu diesem Grundsatz leiten.

Nicht alles allein. „Eure Sorge," sagt der Apostel, „werfet auf Gott, denn er sorget für euch." Ist es nicht wahr: in den meisten Fällen wäre unser gegenwärtiger Zustand noch erträglich und glücklich genug, wenn uns nicht die bange Sorge der Zukunft peinigte? Jetzt haben wir noch uns zu sättigen; aber morgen, was werden wir essen, was werden wir trinken, womit werden wir uns kleiden? Jetzt reichen unsre Kräfte noch zu unsrer Erhaltung hin, aber was wird im ohnmächtigen Alter unser Loos seyn? Noch habt ihr auf jede Gefahr einen wohlmeinenden, teilnehmenden, sorgenden Freund im Hinterhalt, aber wenn auch den der Tod von eurer Seite rafft, wer wird sorgen, helfen und retten? Noch sind eure Kinder geborgen unter eurer elterlichen treuen Pflege; — aber wenn das Vaterherz im Grabe modert, wer wird Vater seyn, wer wird sie nähren, versorgen und vor dem Weg des Lasters verwahren? Eure Sorgen überlasset Gott, denn er sorget für euch.

Wir sind ruhig, so lange wir auf unsre — unsre schwachen und ohnmächtigen Kräfte bauen dürfen, und wollten auf die Kraft dessen nicht bauen, der im Himmel und auf Erden schaffen kann, was er will? Wir haben unser Glück ruhig den Händen eines sterblichen ohnmächtigen Freundes anvertraut, und wollen dem ewig treuen minder vertrauen, der überschwenglich thun kann über alles, was wir bitten und verstehen, wollen unsre Kinder für unglücklich und verloren halten, wenn wir Schwache nicht mehr da sind, und der doch da ist, der der rechte Vater ist über alles, was Kinder heißt im Himmel und auf Erden.

Wenn es das Werk eines blinden glücklichen Ohngefährs, oder wenn es die Weisheit und Kunst und Stärke des Sorgenden war, die ihn bis auf diesen Augenblick hielt, so ist er verloren, sobald ein eben so zweckloser Zufall die Umstände ändert, oder mächtigere Hindernisse seine Kraft besiegen. Aber wir fühlen es ja so deutlich, der Christ glaubt es so zweifellos, daß eine höhere Macht in seinen Schicksalen waltet, — hat es erfahren, daß der Ewige schon so oft, ohne ihn zu fragen, die Mittel änderte, und doch dem Zweck, dem heiligen, weisen, guten Zweck getreu blieb, — muß es bekennen, daß vielleicht schon Jahre lang mitten unter den Besorgnissen des Schlimmern stets das Bessere erfolgte, — hat zum Unterpfand seiner Ruhe die Erklärung aus dem Herzen seines Vaters: Ich will dich nicht verlassen noch versäumen.

Doch wir sollen auch nicht zu wenig selberthun wollen. — „Seyd nüchtern und wachet,
und widerstehet fest im Glauben."

Gott will uns gerne von jeder Widerwärtigkeit, die nicht unausweichbar im Strom der irdischen Vergänglichkeit uns treffen muß, bewahren, und sobald es die heiligen Gesetze der Natur und unser Wohl erlauben, wider davon befreien. Aber nie rathet und hülft euch seine ewige Weisheit unmittelbar. Sie wirkt stille durch die Natur, durch Menschen, und am liebsten, — möchten es alle glauben und beherzigen! — durch uns selbst. Allerdings, er fordert von uns Tätigkeit in einem nützlichen Beruf, und lohnt sie mit seinem Segen, fordert Nüchternheit und Wachsamkeit. Es sind der Gefahren viele, die unsre Ruhe bedrohen, — aber wenige, denen wir nicht durch den Gebrauch unsrer Kräfte glücklich ausweichen könnten. Die ungezähmte Sinnlichkeit, die nur am Gegenwärtigen hängt, und unbekümmert die Folgen vergißt, der Hang zu Thorheiten, die innern und äußern Lockungen zum Bösen sind unsre gefährlichsten Feinde, die sichersten, häufigsten und fruchtbarsten Quellen unsrer Leiden. — Aber Preis dem Gott der es väterlich mit uns meint! — keine dieser Gefahren überschleicht den Nüchternen und Wachsamen ungewarnt; keine Versuchung verstrickt auch wohl unwiderstehlich den, der fest im Glauben — muthig und gestärkt durch die Kraft einer himmlischen Religion widersteht. — Aber auch kein Gott entreißt den gewaltsam und unwiderstehlich seinem Verderben, der nicht wachen und wirken und widerstehen mag. Keinen Gott noch Menschen treffen die Klagen und Vorwürfe, wenn dem Unachtsamen und Trägen Verlust, dem Verschwender Mangel, dem Niederträchtigen Verachtung, dem Zerstörer seiner edelsten Gefühle, dem Verächter seiner warnenden Regungen Verzweiflung nachfolgt, — als ihn den grausamen Feind seiner Ruhe selber. Laßt uns denn mit dem Gott, der unsern Wohlstand und Frieden will, durch treue Befolgung seiner Anweisungen, vereinigt zu dem wohlthätigen beglückenden Endzweck wirken, den Grund unsers Glücks in der Weisheit, in der Massigkeit, in der Festigkeit der Grundsätze, in der Thätigkeit, in der Tugend suchen, und ihr treu verbleiben bis ans Ende.

Es ist noch eine Stelle unsers Textes unberührt; — sie wird sich selbst aus unserm Herzen empor drängen, wenn uns die übrigen zu festen Ueberzeugungen und unverbrüchlichen Regeln geworden sind, wenn unser Herz es fühlt, wie väterlich der Ewiqe sorgte, wie weise er leitete, wie herrlich er die unbegreiflichsten Dunkelheiten unsrer Schicksale aufhellt: — Demselbigen Gott der Gnaden, so schließt unser Text, demselbigen sey Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Amen.

 

 
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