Das
wohlfeile Mittagessen
(1804)
Es
ist ein altes Sprichwort: Wer andern eine Grube gräbt, fällt selber
darein. -
Aber der Löwenwirt in einem gewissen Städtlein war schon vorher darin.
Zu diesen kam ein wohlgekleideter Gast. Kurz und protzig verlangte er für
sein Geld eine gute Fleischsuppe. Hierauf forderte er auch ein Stück
Rindfleisch und ein Gemüs, für sein Geld. Der Wirt fragte ganz höflich,
ob ihm nicht auch ein Glas Wein beliebe? „O freilich ja“,
erwiderte der Gast, „wenn ich etwas Gutes haben kann für mein Geld.“
Nachdem er sich alles wohl hatte schmecken lassen, zog er einen
abgeschliffenen Sechser aus der Tasche und sagte: „Hier, Herr Wirt, ist
mein Geld.“ Der Wirt sagte: „Was soll das heißen? Seid Ihr mir nicht
einen Taler schuldig?“ Der Gast erwiderte: „Ich habe für keinen Taler
Speise von Euch verlangt, sondern für mein Geld. Hier ist mein Geld. Mehr
hab' ich nicht. Habt Ihr mir zuviel dafür gegeben, so ist's Eure
Schuld.“ –
Dieser Einfall war eigentlich nicht weit her. Es gehörte nur Unverschämtheit
dazu und ein unbekümmertes Gemüt, wie es am Ende ablaufen werde. Aber das Beste kommt noch.
„Ihr seid ein durchtriebener Schalk“,
erwiderte der Wirt, „und hättet wohl etwas anderes verdient. Aber ich
schenke Euch das Mittagessen und hier noch ein Vierundzwanzigkreuzerstück dazu. Nur
seid stille zur Sache, und geht zu meinem Nachbarn, dem Bärenwirt, und
macht es im ebenso.“ Das sagte er, weil er mit seinen Nachbarn, dem Bärenwirt,
aus Brotneid im Unfrieden lebte, und einer dem andern jeglichen Tort und
Schimpf gern antat und erwiderte. Aber der schlaue Gast griff lächelnd mit der einen Hand nach dem
angebotenen Geld, mit der andern vorsichtig nach der Türe, wünschte dem
Wirt einen guten Abend, und sagte: „Bei Eurem Nachbarn, dem Bärenwirt,
bin ich schon gewesen und eben der hat mich zu Euch geschickt und kein
anderer.“
So waren in Grunde beide hintergangen, und der dritte hatte den Nutzen
davon. Aber der listige Kunde hätte sich noch obendrein einen schönen
Dank von beiden verdient, wenn sie eine gute Lehre daraus gezogen, und sich
miteinander ausgesöhnt hätten. Denn Frieden ernährt, aber Unfrieden
verzehrt.
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