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AN SOPHIE HAUFE

   

Oswalds Briefe gefallen mir nicht ganz. Aber ich hüte mich, ihm etwas zu soufliren, weil ich es für Verfälschung hielte. Eine Mutter muß durch diese Spiegel rein in die Seele des Kindes schauen. Zur Entschuldigung könnte ihm dienen, daß er mit einem Brief in 2 bis 3 Minuten rein fertig ist, wie wohl er alles mit Hast und Eilfertigkeit thut, um so geschwind als möglich zu etwas anderm zu kommen bis er zu einem Lieblingszeitvertreib gekommen ist. Ich schreibe dieses nicht, um über ihn zu klagen, sondern um groß thun zu können, wenn ihn die Jahre solider machen, als ob es mein Werk wäre. Nein, wir sind sehr wohl mit einander zufrieden, und ich rühme Ihnen besonders seine Folgsamkeit, die schon mehr die Frucht der vernünftigen Vorstellung, als des blinden Gehorchens ist. So hab ich ihn aus Ihren Händen empfangen. Bald gehn die Sommerferien von 18 Tagen an. Ich erwarte, daß die Langweile eine gute Wirkung bei ihm hervorbringen werde, nemlich Sehnsucht nach der Schule. Nach Durlach kann ich ihn höchstens auf ein par Tage abgeben, wenn auch unterdessen *) ... einrücken sollte, damit mir nichts an meinen Concepten verrückt wird. Ich halte alles auf die Gleichförmigkeit der Behandlung. Auf dem Boden haben wir noch nicht geschlafen, die Nächte sind noch zu kühl.

Von Herzen Ihr aufr. Fr.     Hebel            

d. 17tn. Juni [18]26.

 

 

   

Oswalds Briefe: Im voranstehenden Schreiben berichtet
Oswald Haufe über den geplanten Umzug in die
neue Wohnung sowie über einige Knabenerlebnisse
in Schule und Haus.
nach Durlach: Hier wohnte der Steuerrevisor
Wilhelm Dietz, der mit einer Base Sophie Haufes
verheiratet war. Nach Hebels Tod siedelte Oswald
Haufe ins Dietzscbe Haus über und besuchte das
Durlacher Gymnasium,
*) Die drei folgenden Worte sind von späterer Hand
mit Tinte unleserlich gemacht.