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AN SOPHIE HAUFE

   

[September 1810]         

Ich schicke Ihnen, liebe Frau Gevatter, den verlohrenen Brief zum Beweis, daß ich
Ihre neuen weltlichen hochdeutschen Verse nicht verschmäht habe. Es ist gut, in diesen geisteskleinen Zeiten, wenn man alte Vorräthe liegen hat, wie ich. Ich könnte Ihnen noch manchen Brief schicken, den ich an Sie geschrieben und selber behalten habe; aber diesen hatte ich wirklich abgeschickt.

Sie dürfen sich nicht wundern, daß ich es wagte, meine geheime Beichte an Sie durch einen von meinen Schülern schreiben zu lassen. Es ist ihnen nichts mehr zu verrathen, sie wissen alles und manchmal, wenn sie mich recht gut machen wollen, so bitten sie mich, ihnen etwas von der Madame Hendel zu erzählen oder von meiner Frau Gevatter in Straßburg. Ich steh' mit ihnen, wie der Kanzler der Universität in Freyburg, Herr v. Ittner, mit seinen Studenten. Als er einst mit einem guten Freund, den ich nicht nöthig habe zu verrathen, nachts um 12 Uhr in Freyburg aus dem Wirthshaus heimgieng und die Studenten noch auf der Gasse flanirten, sagte der Kanzler: Es hat nichts zu sagen, die kennen mich alle. Aber ich will Ihnen nicht zumuthen, zu zwey Kindern auch noch zwey Briefe zu gleicher Zeit zu lesen, einen erwachsenen und einen neugebohrenen.

Wie kommen denn die zwey Schwesterlein miteinander aus. Nur das will ich Sie noch fragen und Ihnen die Nachschrift meines poetischen Briefes empfelen. Zu tausend guten Stunden

Ihr Freund         Hebel