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AN KARL FRIEDRICH SIEVERT

   

Lieber theurer Freund!

Ich mache mir große Vorwürfe darüber, daß ich deinen liebevollen Brief vom 26. Jenn[er] bis jezt unbeantwortet gelassen habe, ob ich gleich in iener Zeit und seit dem oft mit dringenden Geschäften überhäuft und in unausweichliche Abhaltungen von Geschäften und von dem, was mein Tag mich thun hieß, hineingezogen war. Nein, dis soll mich nicht entschuldigen. Aber ein solcher Widerspruch in sich selbst ist der Mensch, wenigstens der, der iezt am 3. Mai an dich schreibt. Der Tod deines guten Sohnes hatte mich so sehr affizirt. Ich hatte noch bei meinem lezten Aufenth[alt] in Schopfheim Herbst 1812 so liebe Stunden in seinem Umgang. Wir waren in Maulburg über Mittag und er begleitete mich mit Eisenlohr bis Lörrach. Ich erfuhr, daß die Liebe des Vaters in den Sohn übergegangen und an der uns beiden so lieben Stätte zurückgeblieben war. Dein Brief, in dem du mir deinen Schmerz und deinen Trost mittheiltest und dein gerechtes Zutrauen zu meiner freundschaftlichen Theilnehmung gewährtest, rührte mich noch mehr, und doch konnte ich bis jezt warten, ehe ich dir es sage. Nimm mit deinem freundlichen, nachsichtigen Sinn auch jezt noch das Bezeugnis meiner herzlichen Theilnehmung an. Nie wird das Andenken an den lieben Entschlafenen aufhören, mir theuer zu sein.

Allerdings war ich schon, wiewohl nur auf einer Durchreise, in euerm schönen Thal. Ich darf es so nennen, denn es erschien mir so an einem heiteren, frohen Sommertage. Iezt ist es mir noch interessanter, seit es eine mir so werthe Familie beherbergt, und lieb geworden, weil es, wie ich aus deinem Brief ersehe, etwas hat, das auch euch diesen Aufenthalt angenehm werden läßt. Möge er indessen so kurz noch dauern als möglich und eine Stelle, die euern Wünschen zusprechender und deiner Thätigkeit und Kraft angemessener ist, bald auch trost- und schadlos halten. Wie wild ist der Sturm des Krieges auch durch euer Thal gezogen. Aber welche Hütte und welchen Palast hat er ungefährdet gelassen. Was unser schönes, gutes Oberland gelitten hat, weißt du und trauerst gewiß auch darüber. Hausen soll durch die Seuche zu einem Leichen- und Trauerhaus geworden seyn. Dieser heilige Krieg, wie man ihn nennt, hat große Opfer gefordert, nur fange ich an zu zweifeln, ob er so sehr heilig war. Doch das müsse der Himmel in seinen Folgen bewähren, die ihm überlassen seyen und der auch euch, liebe Freunde, trösten und segnen wolle. Herzlich gegrüßt und umarmt und ebenso euer treuer ergebenster

Hebel             

Cr. d. 3. Mai 1814.