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AN FRIEDRICH HEINRICH JACOBI

   

Wohlgebohrener Hochzuverehrender Herr                       Carlsruhe d. 28. Jan. 1811

Was werden Sie von meinem langen Stillschweigen zu dem wohlwollenden Schreiben denken, mit welchem Sie mich beehrt haben! Sie könnten mich für sehr gelehrt halten, weil sehr gelehrte Leute bisweilen auch sehr zerstreut seyn sollen. Doch halten Sie lieber diese Zögerung einem Manne zu gut, der zu vielen, und was das schlimmere ist, zu vielerley Geschäften auch noch ein wenig an die Unordnung gewöhnt ist, und so oft die Erfahrung des Plinius bey sich machen muß, daß jeder einzelne Tag seine eigene und hinreichende Entschuldigung habe, viele zusammen aber gar keine mehr.

Aber empfangen Sie gleichwohl auch jetzt noch gerne meinen wärmsten und lebhaftesten Dank für die Ehre Ihrer Bekanntschaft, die Sie mir gönnen, und für die Güte, mit welcher Sie mir einige so sehr interessante Impressa Ihrer preiswürdigen Akademie zu Theil werden ließen.

Ihr Beifall und Ihr Wohlwollen ist ein schönes und schmeichelhaftes Geschenk für die allemanische Muse. Vielleicht ist es dem Manne, der mit so philosophischem Geist die Entwicklung und den Gang des menschlichen Geistes in seinen Individuen beobachtet, nicht unangenehm etwas von ihrer anomalischen Geschichte zu hören. Schon als Knabe machte ich Verse. Meine Muster waren das Gesangbuch und ein Manuscript, später Geliert, Hagedorn und sogar Klopstock. le mehr mein Urtheil über Dichterwerke reifte, desto mehr überzeugte ich mich von dem Unwerth meiner eigenen und von dem Unvermögen besseres zu machen. Zuletzt hörte ich ganz auf ohne Vorsatz, wie ich ohne Vorsatz angefangen hatte. Im 28st. Jahr, als ich Minnesänger las, versuchte ich den allemanischen Dialekt. Aber es wollte gar nicht gehn. Fast unwillkührlich, doch nicht ganz ohne Veranlassung fieng ich im 41 ten Jahr wieder an. Nun gings ein Jahr lang freilich von statten. Der Knabe im Erdbeerschlag war das erste, der Statthalter das zweite, das Spinnlein das lezte. Ich glaube, daß ich noch lange hätte fortfahren können. Aber seit die Gedichte gedruckt sind, thut die Muse wieder kalt, als ob ich wider ihren Willen das Geheimniß ihrer Gunst verrathen hätte. Wenn ich mich recht fühle und schätze, so kann ich seitdem nur noch mich selber nachahmen.

Verzeihen Sie meine Gesprächigkeit! Auch diese Erscheinung wird Ihnen nicht die erste seyn, daß man oft an sich selber merkwürdig findet, was andern nicht so scheint.

Ich bin mit der aufrichtigsten Verehrung Euer Wohlgebohren ergebenster Dr.

Hebel