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AN FRIEDRICH WILHELM HITZIG

   

 

L. F.

|> Wintersw. ist noch nicht ausgeschr. weil auch eine Notiz wegen der Besold. von den C. dir aussteht. Der Steisibruser v. Neuenweg ist längst nach Mbrg berufen. Deine Winke wegen der neuen Meldungen werde ich benutzen. Der Registrator ersucht dich, ich aber auch, nicht zwei verschiedene Gegenstände in einen Bericht zusammen zu fassen, wegen der Separirung zu den Akten. Vielleicht steht auch der Pagirer, der Kolb, darhinter.

Wegen der Ableitungsfrage in Hausen ist von hier aus Befehl an das C. D. ergangen. Ich könnte mit meinem Additionalartikel, den Ableiter lieber wieder abzunehmen, wie der Baumeister es nicht verstünde, nicht durchdringen. Ich bitte dich also, wie du kannst, ein Auge auf die Sache zu haben, um Unheil zu verhüten. Es ist Roths nächstes Interesse. Schon mehr als einmal haben Pfarrherrn auf der Canzel, das Schiksal des Romulus gehabt, oder besser gesagt, mehr als einer denn "dieses Vergehen hat zweimal mir gedroht," nach Schiller. <|

Die Bitte des iungen Netoreck ist noch nicht angekommen. Was ich thun kann, wird geschehen. Die neue Kunst, zwei Aspiranten auf einen Platz zu promoviren gefällt mir auch nicht, wird auch nicht lange gut thun. Aber du nennst die Kirchencommission; die Regierungscommission hats auf sich, der Brauers Geist und Takt fehlt. Er lebt mir wieder auf, und besucht mich wie ein freundlicher Schatten, so oft ich ihn in den Akten finde, und wie oft dis geschieht, kannst du dir denken.

Hier ist alles erfroren. Doch hofft man auf Nachtrieb. Möchte es droben besser seyn. Was wird aus uns werden. Die Weltangelegenheiten immer krauser, Preußen immer hochsprechender, die Maul- und Federdeutschen immer patziger. Der Leichtsinn, die Frivolität immer größer. Wird uns Gott noch einmal durch unsere Fehler helfen, wie die Sieger von 1814 einmüthig gestehn, daß es geschehn sey?

Von dem großen Schauplatz hat uns gestern eine Depesche der Policei in Basel weg und auf sich gezogen. Geh. Rath Heinau, vor kurzem noch hiesiger Policeidirektor, verließ C[arls]Ruhe am Sonntag, kam mit einem unächten Paß nach Basel, gab ihn bei der Policei ab, ließ sich einsweilen zum Zeitvertreib spaziren führen nach Burglibre, schickte dort die Kutsche zurück und hat vermuth[lich] von dort aus gültigere Pässe.

Den gr. Catechism. hab ich aufgefischt. Vielleicht hast du ihn noch nicht von Stappel gelassen. Ew[ald] hat die Wette verloren. Tausend Grüße deinem guten Hause, Gottes Schutz und Segen über euch. Herzl[ich]

Euer redl.    Parm.            

22. Apr. [18]15.

 

 

   

C. = Candidaten
Steisibruser = Johann Jakob Renk, Lehrer dortselbst
Pagierer = verm. von paginieren = mit Seitenzahlen versehen u. einordnen
Ableitungsfrage = es geht verm. um einen Blitzableiter für die Kirche in Hausen
C. D. = ?
Roth = verm. Friedrich August Roth, Hofrat
Junger Netoreck = Ferdinand Sigismund Hitzig, jüngerer Bruder F. W. Hitzigs
Burglibre =  Hüningen (der französische Grenzort zu Basel)

 

Der Text dieses Briefes wird hier erstmals vollständig und korrekt an Hand des Briefes
 aus dem Nachlass F. W. Hitzigs transkribiert wiedergegeben -
die markierten Abschnitte  |> xxx <| waren bisher unveröffentlicht.

Nicht nachzuvollziehen ist, warum Zentner den Brief nicht vollständig wiedergibt.