zurück zur Briefübersicht

 

   

AN FRIEDRICH WILHELM HITZIG

 

 

|> Es ist o Zenonides auf Georgi eine v. Geusausche Stiftung von circa. 45 fl zu zwei Hälften an einen Schulmeister im Unterland u. einen im O. L. zu vertheilen. Die allgemeinen Bedingungen der Wählbarkeit sind diese, daß der Competent a, gut meisten habe, b nicht höher als mit 120 fl besoldet sey c nicht unmittelbar im vorherigen Jahr schon im Genuß gewesen sey.
Bei der Wahl selbst aber soll auf den dürftigsten, d. h. auf den gesehen werden, der a kein vermögen,  b, die meisten Lieder u. c, keine Gelegenheit zu Extraverdiensten habe. Wie nun meine Geschäftsvorfahren diesen Bedürftigsten herausgestochen haben, u. wie es überhaupt ohne die Willkühr oder den Zufall nur wenig ins* Spiel zu wissen möglich sey, sehe ich nicht recht ab, u. gedenke daher es von oben herab dieserweise zu nehmen u. mich an die Deinen zu halten, wenn nicht nicht ausserordentliche Fälle Ausnamen fordern. Wie vorbereitet hinzu, bekam es pro 1812 ein Lörracher (Boos in Binzen), pro 1813 ein Schopfheimer (Geitlinger in Eichen) und ich ersuche dich daher mir pro 14 einen Canderer mit der Rechtfertigung seiner Wahl, wenn, wie ich nicht zweifle, so einer da ist, in einem brief vorzuschlagen, der zu den Akten gebracht werden kann. Willst du mich mit ein paar weiteren zeilen erfreuen so theile in ein Extrablatt. <|

Wenn du noch einen alten Gr.[oßen] Catechismus von einer Ausgabe hast oder auftreiben kannst, worin die lutherische Religion, als dieienige, bei der allein man selig werden könne, angegeben wird (die Frage steht ganz vorne), so könntest du durch dessen Mittheilung mir, und ich dem KRath Brunner einen Gefallen, dem KR. Ewald aber einen Schabernack anthun.

Welche schweren Stürme bedrohen wieder unser unglückliches Vaterland — Unius ob noxam, nemlich Alexanders et furias Aiacis Oilei, nemlich Napoleons. Gott nehme euch in seinen Schutz und lasse, was geschehen soll, wenigstens schnell vorüber gehn. Wenn ich nur eine Stunde bei euch seyn, und dir meine Gedanken, die ich dem sichersten Brief nicht anvertrauen möchte, im Garten unten, oder den Teichen entlang mittheilen könnte, wo es iezt, ach wie schön, seyn muß. Meine herzlichen Grüße deinem Hause und dem biedern Gottschalk.

Herzlich
                                                          Dein    
14. Apr. [18]15
                                                                                                         Parm.              

 

 

   

 

Geusau = Karl Freiherr von Geusau, General, Kriegsminister,
* 8. Dezember 1741 Karlsruhe, † 8. Februar 1829 eb., ev.
fl = Gulden (von Florin)
O. L. = Oberland
* verm. ein Schreibfehler, sinngemäß müsste es 'im' heissen
Canderer = Kanderner
Unius ob noxam (lat.) = Bericht über das Verbrechen
et furias Aiacis Oilei (lat.) = Ajax Wut

 

 

Der Text dieses Briefes wird hier erstmals vollständig und korrekt an Hand des Briefes
 aus dem Nachlass F. W. Hitzigs transkribiert wiedergegeben -
die markierten Abschnitte  |> xxx <| waren bisher unveröffentlicht.

Nicht nachzuvollziehen ist, warum Zentner den Brief nicht vollständig wiedergibt
und bei der Zeichensetzung erhebliche Änderungen vorgenommen hat  - insbes. eine
große Zahl von Kommas gestrichen sowie 'und' ausgeschrieben statt die übliche
Hebelsche Schreibweise "u." beizubehalten.