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AN FRIEDRICH WILHELM HITZIG

   

[Mitte Juni 1809]         

Nun trit einmal ein par Schritte näher, o Zenoides, der du mich schon zum voraus dauerst, und laß dich waschen und fegen, und ganz entsetzlich mißhandeln, du dintenloser, ungefederter, papirscheuer Sterblicher! Du Siebenschläfer, nenne ich dich, du Neuntöder meiner Geduld, du Pelagianer, du Sabellianer, du Patriot, du Anabaptist, du Rosenkreutzer, du unproteischer Antichrist. Ach daß ich dich auch einen Utraquisten nennen könnte, z. B. einen der zwey Hände hätte, oder an beiden Orten zugleich seyn könnte, im Schwanen zu Lörrach im Fleisch, und zu Carlsruhe im Wort, oder wenigstens nur an einem Ort. Aber gesteh mirs! du existirst nicht mehr, bist aufgenommen von dem Proteus in

reines, klares
offenbares
nie empfundenes
nie gewesenes
Nichts
entwoben, zerstoben,
im Glanze seines Angesichts.
Deinem Busen näher
Vater der Proteer
innig von dir angezogen
geistig von dir eingesogen,
Urrein, ganz dein.

So nun setze dich her, du rein gefegter, und durchgewaschener und entsündigter durchs Wasserbad im Wort oder vielmehr setze dich hin, und schreibe flugs fünfzig — nemlich Briefe oder wenigstens Einen, erstlich einen langen, zweitens einen breiten, drittens einen schönen, viertens ohne Exküsen, die immer der schlechteste Ersatz sind für einen Unglücklichen der schon lange vor Ungeduld den Boden eingetretten hat, und ohnmächtig im Keller ligt.

Neues will ich dir dismal nicht schreiben, und überhaupt nicht viel, o Zenoides, da
H. Deimling selber frischweg hinkommt und dir vieles sagen wird, doch - schicke ich dir durch ihn den gelben Gefangenen wieder, unter Bedeckung zweier Lieder für das Museum und der Cantate, zu welcher du im lezten Brief die Vorrede erhalten hast. — Lebt wohl liebes Stüblein voll freundliche Menschen. Herzlich

Dein    J. P. Parm.            


Addo ein Hochzeitskärmlein. Der Bräutigam ist Baukünstler.

 

 

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