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AN FRIEDRICH WILHELM HITZIG

 

 

...Wenn die theol. Gesellschaft noch bestünde so hätte ich ihr dismal einen Aufsatz über den Polytheismus geschrieben. Ich gestehe dir — denn eine Beicht unter Freunden ist so heilig, als die am Altar, daß er mir immer mehr einleuchtet, und nur die Gefangenschaft, oder Vormundschaft, in welcher uns der angetaufte und anerzogene und angepredigte Glauben behält, hinderte mich bisher den seligen Göttern Kirchlein zu bauen.

Unser dermaliger philosophischer Gott steht, fürchte ich, auf einem schwachen Grund, nemlich auf einem Paragraphen, und seine Verehrer sind vielleicht die thörichtesten Götzendiener, denn sie beten eine Definition an, und zwar eine selbstgemachte. Ihr Gott bleibt ewig ein Abstraktum und wird nie concret.


Als man zur Zeit der Bibel nur ein paar Cubikklafter vom Weltall kannte, war es keine Kunst sich mit Einem Gotte zu begnügen, und ihn menschlich zu lieben, weil man ihn menschlich denken konnte. Und doch konnte selbst der sanktionirte Monotheism nur mit Zwang und nie mit Glück den Götterglauben und die Anbetung derer, die uns näher sind, als der einzige, ewige unerfaßbare über den Sternen entfernt halten. Ich möchte mich gerne mit einem oder einigen Göttern dieser Erde begnügen, die um uns sind, die uns lieben und beobachten, die unsre Blüthenknospen aufthun, unsre Trauben reifen, denen wir trauen können, und die sich lediglich nichts darum zu bekümmern haben, wer für die andern Sterne sorgt, so wenig als wir. Sie sollen nicht allmächtig, nicht allweise nur mächtig und weise genug für uns seyn, nicht souverain, sondern untergeordnet einem noch mächtigeren und weisern, um den sie, nicht wir uns zu bekümmern haben. Sie sind vielleicht schon so oft erschienen, den Juden und Griechen, beiden in der Gestalt und Form in der sie ihnen erfaßbar waren, dort Engel, hier Dämonen; sie würden vielleicht auch uns noch eben so wie ienen wahrnehmbar seyn, wenn wir nicht durch den Unglauben an sie die Empfänglichkeit ihrer Warnehmung verlohren hätten. Das Organ dazu ist in uns zerstört. Wir haben ihnen keine einzige Form mehr übrig gelassen, in der sie uns erschaubar werden könnten. Doch davon einmal mündlich...

 

 

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Hervorhebung durch den Webmaster

Auszug aus dem bBrief an Hitzig vom 6. April 1808 oder 1809 (Nr. 252 n. Zentner)