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AN CHRISTOF GOTTFRIED HAUFE

   

Das Geld Herr Gevatter hab ich wohl erhalten, auch den Stock, nicht so die Musik zum Bettler. So habt ihr dagegen auch meinen Brief nicht erhalten, erstlich weil ich ihn nicht schrieb. Ich will mich wegen meiner Saumseligkeit im Schreiben nicht selber anklagen. Es wäre mir leid, wenn Ich es thun müßte, und Ihr thätets nicht. Ich wollte die Frau Gevatter wäre recht erbost über mich, und sagte: „Aber komm er mir nur wieder nach Str. Mit einem Baumwollenfaden will ich ihn an eine Spinnmaschine anbinden und er muß den ganzen Tag bey mir sitzen und zusehen, wie ich alles so schön dirigire. Im Herbst kanns geschehn. Diesen Sommer war ich in Baden, und könnte euch manch kleines Abentheuer erzählen, z. B. wie auch Heidelberger Studenten da waren im Salmen zur Herberge, und wie ich einmal am Essen neben einem feinen Knaben von 18 Jahren zu sitzen kam, und viel an ihn hinredete von der Süßigkeit des Studentenlebens. In der Brust des Studenten, sagte ich endlich, ganz begeistert, und gleichsam in einem Polymeter, in der Brust des St. wohnen das Kind und der Knabe und der Mann in einer Brust beysammen. Das Kind ist zwar am Einschlummern, schlägt aber noch immer die Augen auf und lächelt, als ob es in einen Traum voll Rosen nidertauchen wollte, und sich drauf freute. Der Knabe aber ist wacker und athmet Lebenslust und Freyheit, und der Mann wacht auch schon bisweilen auf und sieht die Sache ernsthaft an, schläft aber wieder ein, bis seine Stunde da ist. — Er kein Wort — Hierauf begann ich den 6ten und letzten Polymeter: Darum iunges Blut genießen Sie die schönen Tage, und begehen Sie nicht lauter kluge Streiche, sondern auch thörichte, wie ich zu meiner Zeit, und noch." Da öffnete er endlich die Scheere seines Mundes, und schnitt mir mit vier Worten: Ich bin kein Student, alle meine schönen Streckverse entzwey. Wie ich nachher erfuhr, wars ein vornehmer Judenbub aus München.

Vielen lieben Dank für die Schattenriße zweyer lieben Menschen. Ich hab auch einen schönen Herr Christus von Straßburg bekommen, ohne Brief dazu. Herr Gevatter legt euch auf Kundschaft, ob das schöne Bild mein ist, und von welcher freundlicher Hand. Es scheint mir eine Copie von einem Gemälde zu seyn, das ich sah, als Ohnmacht mein Gesicht ausmeißelte, das ich vielleicht auch einmal bekomme. Es wird eine Zeit seyn, wo der rh. Hausfreund nicht schlecht in Kupfer erscheint. Ich will schielend und mit einer krummen Nase auf die Welt kommen, wenn ich euch ein Exemplar davon schicke — aber euerer Frau. Sie kann nichts dafür. Meine besten Grüße an sie, an die Sternlein, und an klein Straßburg um und an.

Herzlich Ihr Freund      H.                  

1. Aug[ust 1812].