zurück zur Briefübersicht

 

   

AN GUSTAVE FECHT

   

Liebe Freundinn!                                                    Den 5. Juli [1812] früh 1/2 8    

Ohne Zweifel haben Sie meinen erwarteten Brief unterdessen erhalten. Ich mache mir wegen Verspätung desselben Vorwürfe, weil ich sehe, daß Sie dadurch in Unruhe gesezt wurden. Sie waren so lange in den Krankenzimmern beschäftigt, haben den Wechsel der Gesundheit mit der Krankheit und des Lebens mit dem Tode so nahe mitangesehen, und selber so viel gelitten, daß Sie gute Seele bey dem bloßen Gedanken an eine unangenehme Möglichkeit schon besorgt für Ihre Freunde werden. Nein ich war bisher und bin so gesund, wie gewönlich. Ich fühle noch immer ein einziges Übel, das recht liebenswürdig wäre, wenn ich nur eine Revenue von 2000 Gulden dazu hätte, nemlich die beständige Lust zu schlafen. Ich habe mir ein bescheidenes Einkommen gewünscht, denn zum Schlafen braucht man nicht viel. Ich kann mich nie vor 7 Uhr aus dem festesten Schlafe losreißen. Sobald ich zu mittag gegessen habe umgaukelt mich der holde Morpheus, ia er wird oft unartig, wenn ich zu ihm sage ich hab iez nicht der Zeit. Es geht mir mit ihm, wie Ihnen mit der lieben kleinen Caroline, und manchmal sagt er sogar, wir wollen sehn wer Meister wird. Auf alle Fälle trümmle ich etwas schlaftrunken herum, bis gegen 6 Uhr, dann werde ich munter, kann aber nach 9 Uhr wieder ins Bett gehn, wann ich will. Doch geschiehts gewönlich um 1/2 11. Wenn man indessen nicht von allen Beschwerden frey seyn kann, so wünsche ich mir wenigstens keine andre, und wünsche nur, daß ich sie mit Ihnen in die Hälfte theilen könnte. Wie gut käme Ihnen manchmal, was ich zu viel habe, und womit ich nichts anzufangen weiß. Indessen ist mir die Unlust zur Arbeit, die damit verbunden ist, sehr beschwerlich. Meine Geschäfte gehen langsam, oft reichen die guten Stunden des Tages kaum hin, nur das allernöthigste zu thun. Alsdann bleibt allerdings auch die Correspondenz ein wenig ligen. Ich möchte Ihnen doch bisweilen zeigen können, wie viel unbeantwortete Briefe oft vor mir ligen, von denen ich den größten Theil nicht verlangt habe.

Geben Sie doch ia acht auf den Gang Ihrer Gesundheit. Sie waren nach Ihrem Brief frey im Kopf und hattens desto beschwerlicher im Fuß. Ohne Zweifel hat beides Zusammenhang. Vielleicht läßt sich etwas daraus erklären. Vielleicht ist es nur eine rheumatische Materie, die Ihnen bisher so viel Schmerzen verursachte. O wie zuträglich wäre Ihnen alsdann Baden gewesen. Ich kanns nicht vergessen. Doch fange ich an zu glauben, daß weniger die Bestandteile als die Wärme des Bades wirkt. Viele Leute brauchen iezt das Beuertheimer Bad, worinn lediglich nichts ist, als Wasser und etwas Schlamm, curmäßig, und erfahren die besten Wirkungen davon. Baden Sie nur nicht zu warm, bleiben Sie nicht zu lang darinn sitzen und warten Sie beide auf bessere Witterung, wenn Sie noch daheim sind. Ich gieng in Lörrach lange mit dem Gedanken um, noch umzusatteln und Medicin zu studiren. Die Schwierigkeiten waren groß. Aber wenn ich sie besiegt hätte, so könnte ich iezt Ihr Arzt seyn. Wenn es nur nicht so weit wäre, wo könnt ich iezt meine Ferien lieblicher zubringen als in R[iedlingen] wenn Sie und die Ihrigen dort sind. Dieser Traum könnte noch viel süßer werden, als der erste von Baden. Aber ienen konnte ich hoffen erfüllt zu sehen, diesen nicht, also will ich ihn nicht ausspinnen.

Möge Ihnen nur die Cur gut zuschlagen, alsdann ist mein bester Wunsch erfüllt. Ich mag dabei seyn, oder nicht.

Am Sonntag kostete ich den ersten Gaffe mit Cartoffelsyrup. In Heidelberg ist er schon das für 24, in Mannheim für 28 kr. zu haben. Die Sache bekommt eine Gestalt.

Als ich der Dame von Königsberg, die mir die Mundstücklein brachte, meinen Besuch abstattete, machte ich wenig Umstände, ob es mir schon bald vorkam sie sey nichts gemeines. Aber vorgestern sah ich den Prinz Fridrich und seine Gemalin einen Besuch bei ihr machen. Ich hoffe er wird sich besser benommen haben, als ich. Ich habe schon oft gewünscht, die a[lemannischen] G.[edichte] nie geschrieben zu haben, die mich mit der halben Welt in Bekanntschaft setzen.

Was Sie mir von Caroline geschrieben haben, hat mir viel Vergnügen gemacht. Das Kind ist mir noch lieber dadurch, daß es Ihnen so viel Freude macht. Aber iezt ist es Ihnen auch davongeflogen.

Leben Sie wohl, theuerste Freundinn. Ich bin von Herzen

Ihr ergebenster     P. H.            

 

 

  zurück zur Briefübersicht

 

nach oben