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AN GUSTAVE FECHT

   

Ich weiß warhaftig nicht mehr theuerste Freundinn, ob Sie einen Brief bey mir, oder ich bey Ihnen zu gut habe. Was lernen wir daraus? daß es überhaupt schon lange seyn muß — Aber lieber will ich Ihnen einen schuldig seyn, nur dauren Sie mich, denn ich bin heute unbeschreiblich neidig, und weiß, was das schlimmste ist, keinen Grund dazu. Aber ist das nicht schon Ursache genug dazu, daß ich keinen finden kann?

Doch soll mich die üble Laune nicht abhalten, Ihnen von ganzem Herzen einen freudigen schönen Herbst zu wünschen. Genießen Sie ihn in guter Gesundheit und lassen sich die süßen Trauben wohl schmecken. Ihre gute Fr. Mama wird nun auch wieder ihre Freude haben, schönen Vorrath an Trauben aufhängen, und für die Winterfeyerabende sorgen. Empfehlen Sie mich derselben bestens. Wer darf die Triemen knüpfen? Wer hat die schönen Aepfel im Garten gepflückt? Ohne Zweifel die Frau M[ama] mit sorglichen Händen selber.

Während Sie zwischen den vollen Reben und Bäumen herumwandeln, gehe ich fast alle andern Tage 1 1/2 Stunde weit ins Etlinger Feld, wo neu entdeckte römische Ruinen aufgegraben werden, und ziehe, wenn ich unbesehen und unbeschrien kann, eine saftige Rübe aus, um doch auch etwas vom Herbstsegen zu genießen; aber auf dem Heimweg esse ich in Rüppur ein Buterbrod zu einem Schöpichen Wein an dem Tisch wo Erzh. Carl den Plan zum Rückzug machte, und stelle Betrachtungen über die Hinfälligkeit der menschlichen Dinge an. Wo sind iene Gebäude hin, zu welchen noch die Fundamente in der sumpfigen Etlinger Almende liegen? Wo ist Oestreichs Ruhm und furchtbarer Einfluß? Sehen Sie daß ich neidig bin? Wie ichs drehe? Iezt wäre ich auf dem rechten Schapiter wenn ich an iemand anders, als an Sie schriebe.

Für die alem. Lieder erndte ich hier zum voraus viel Complimente, aber die Subscript. steht nicht sehr damit im Verhältniß. Kürzlich bekam ich eine musikalische Composition, die in Colmar zum Morgenstern gemacht worden ist, und von Freyburg eine Uebersetzung des Sommerabend ins Hochdeutsche. Aber was halte ich Sie mit dieser Ruhmredigkeit auf? Will ich Sie etwa auch neidig machen? Es sieht fast so aus. Ich denke aber, Sie nehmen mir eine kleine Eitelkeit nicht übel. Ich benehme mich nicht vor allen Eeuten so einfältig, wie vor Ihrer Gutmüthigkeit, die gerne alles von der glimpflichen Seite ansieht.

lezt sollen Sie mir noch ein Räthsel errathen:

„Die Freude liegt in der Eiche;
 Die Eiche liegt in der Birke;
Die Birke liegt in der Weide."

Was ists?

Wenn Sie so lange nicht antworten, so will ich daraus schließen, daß Sies lange nicht errathen können. Im nächsten Landkalender, an dem ich nun wegen Mangel an andern Geschäften auch zu arbeiten habe, wird sich Ihnen Ihre Aufgabe von der Frau und dem Almosen präsentiren. Lifern Sie mir doch bald für den nachkommenden etwas artiges. Es geht mir bitter übel. Wo es etwas zu arbeiten gibt, muß ich dazu, und ärgere mich darüber. Warum soll ich denn von allem haben? Aber wenn man mich ein einzig mal verschont, so nehme ichs übel und meine man halte mich nicht für tüchtig dazu. Es ist Ihr Glück daß das Papir zu Ende geht, sonst fieng ich doch noch an zu wurmen. Leben Sie wohl beste Freundinn! Ich bin mit der völligsten Hochachtung

Ihr ergebenster       H.        

d. 3ten Okt. 1802

 

 

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