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AN SEBASTIAN ENGLER

   

Mein Bester!                                                                    Den 11. Mai [1813]

Es war bey meiner letzten Reise, wo ich aufwärts mit Gesellschaft, abwärts mit der Allermannskutsche fuhr, nicht mehr möglich, als Sie auf ein par Augenblicke zu sehen, zu grüßen und zu umarmen. Aber Sie loser Strichvogel haben mir auch das mögliche unmöglich gemacht, und balgen nun noch. O daß ich Sie hier hätte, um Sie in das Carcer zu sezen, nicht zur Strafe, sondern um Sie gewiß zu haben und mich zu Ihnen einzuschließen, damit kein Apotheker Kühlenthal uns stören könnte.

Ihr Diöcesan Wikert soll mir wohl empfohlen seyn und, wenn auch nicht sehr ausgebildet, doch sehr eingebildet zu Ihnen zurückkommen.

Den Cäsar hätt ich Ihnen zur Lektion für Ihre Söhne nicht empfohlen, wiewohl er auch hier eingeführt ist. Er ist nicht unterhaltend genug, geht zu sehr ins einzelne und qualifizirt sich mehr für das Studium der Kriegskunst als der Sprache. Curtius und Livius dürften noch zu schwer seyn. Justin gefällt mir sehr und verdient die Geringschätzung nicht, die ihm widerfahrt. Er hat, wenn auch nicht überall reine Latinismen, doch einen richtigen Periodenbau und eine schöne lebhafte Darstellung. Doch ist er sich nicht überall gleich, in der ersten Hälfte besser als in der zweiten.

Nach Jacobs lesen wir hier in Prima Xenophons Anabasis, die ich Ihnen empfehle. Sie können bey Macklot eine artige Schulausgabe mit angehängtem Wörterbuch haben. Auch lesen wir zugleich den Anakreon. Doch eher rathe ich Ihnen die Sentenzen des Phocylides. Die Cyropaedie ist noch zu schwer. Riem[er]s Auszug ist für die ersten Bedürfnisse gut. Übertreiben Sie die iungen Leute nicht. Das Durchexponiren eines Autors ist das wenigste und nur Mittel zum Zweck. Doch sage ich Ihnen, was Sie schon wissen, als wenn ich so viel Zeit hätte, unnöthiges zu schreiben, da sie mir selbst zum nöthigen gebricht. Meine herzlichen Grüße der lieben Gattinn. Ihre Briefe sind mir alle hoch erfreulich, auch wenn ich nicht auf ieden prompt antworten sollte. Von ganzen Herzen

Ihr Freund      Hebel