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51. Maria Magdalena.

Aber wird sich der Auferstandene nicht selbst erzeigen und seine zweifelnden und traurenden Freunde trösten? Eine von den Frauen, Maria Magdalena, glaubte nichts anderes, als daß der Leichnam in der Nacht hinweggetragen und an einen andern Ort gebracht worden sei, und wußte nicht, von wem und wohin. Sie hatte deswegen keine Ruhe in der Stadt. Sie kehrte in den Garten zurück; sie setzte sich zu dem verlassenen Grab, schaute hinein, als ob sie ihn sehen müßte, oder als ob sie sich zu neuen Tränen stärken wollte, und wartete, bis jemand käme, der ihr sagen könnte, wo der teure Entschlafene läge. Da stand hinter ihrem Rücken auf einmal eine männliche Gestalt und redete sie an: »Weib, was weinest du? Wen suchest du?« Maria meinte, es sei der Gärtner. Es war nicht der Gärtner. Fromme Kinder wollen schon vermuten, daß es der Auferstandene war, und haben auch noch kaum das Herz, es recht zu glauben.

Maria sprach zu dem Mann, den sie nicht kannte: »Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast, daß ich ihn hole.« Es redete sie der Unbekannte mit ihrem Namen an: »Maria,« sprach er mit sanfter Stimme und enthüllte ihr sein Angesicht. Es war der Auferstandene und offenbarte sich ihr, daß er lebe, daß ihn Gott wieder auferweckt habe von dem Tode. Maria schrie mit einem freudigen Erschrecken: »Rabbuni,« d. h. mein Herr. Mehr konnte sie im ersten Augenblick nicht sagen. Als sie aber niederkniete und, seine Knie umfassen wollte, wehrte er ihr und sprach: »Rühre mich nicht an! Ich bin noch nicht aufgefahren«, sprach er, »zu meinem Vater. Gehe aber zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott!«

 Wie mag die fromme Maria sich des Auferstandenen gefreut haben, des Lebenden, den sie einen Augenblick vorher noch als tot beweinte. Den Abend lang währet das Weinen, aber am Morgen die Freude. Du hast mir meine Klage verwandelt in einen Reigen. Du hast mein Trauergewand mir ausgezogen und mich mit Freuden umgürtet. Maria, die getröstete und hocherfreute, eilte zu den Jüngern zurück und verkündete ihnen, daß sie den Herrn gesehen, und was er mit ihr geredet habe.