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40. Einzug Jesu in Jerusalem.
 

Des andern Morgens begab sich der Herr nach Jerusalem;— er ging von dieser Zeit an jeden Morgen nach Jerusalem; aber am Abend kehrte er nach Bethania zu seinen Freunden zurück. Diesmal bestieg er unterwegs eine Eselin. Dieses Tier, das bei uns so armselig aussieht, kommt im Morgenland zu einem schönen und ansehnlichen Wuchs. Jedermann, auch die Vornehmsten, bedienten sich dieser Tiere zum Reiten ohne Anstand. Als aber Jesus gegen die Stadt und in die Stadt kam, schien es, als ob sich ganz Jerusalem auf einmal zu ihm bekehren wollte. Eine große Volksmenge kam ihm entgegen und begleitete ihn. Viele legten ihre langen und breiten Oberkleider über den Weg, auf welchem er ritt. Andere brachen Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. Alles Volk, das Voranging und nachfolgte, rief mit lauter Stimme: »Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn!« Auch die Kinder riefen ein freudiges Hosianna darein. Wiewohl als Jesus von der Anhöhe herabkam und die Stadt vor sich sah, fing er an zu weinen. Denn er sah im Geist das große Unglück voraus, welches die Einwohner durch ihre Gottlosigkeit, durch ihre Scheinheiligkeit, durch ihre Verstocktheit sich zubereiteten. Der Mensch bereitet meistens sein Unglück sich selbsten zu und erkennt es erst, wenn es zu spät ist.

»O, wenn du es wüßtest,« sprach Jesus, »so würdest du bedenken zu dieser deiner Zeit, was zu deinem Frieden dient. Aber es ist vor deinen Augen verborgen.« Als aber Jesus in die Stadt gekommen war und in den Tempel und die fröhlichen Kinder noch immer Hosianna, Hosianna riefen, fragten ihn die Priester, ob er nicht höre, was diese sagten. Sie meinten nämlich, er sollte ihnen wehren. Das tat Jesus nicht, der die Kinder so liebhat. Nein, zu den stolzen Priestern sprach er: »Habt ihr nicht gelesen: Aus dem Munde der Kinder und Säuglinge hat sich Gott ein Lob bereitet.«

Aber das alles, und was Jesus sonst noch lehrte und tat, das erbitterte nur noch mehr den Haß seiner Feinde gegen ihn. Böse Menschen können es nicht ansehen, daß die Guten geehrt und geliebt werden. Sie beschuldigten ihn, daß er das Volk gegen den Kaiser empören und sich zum König erheben wollte, der fromme, friedliche Menschensohn, der die Sünder bekehren und retten und in das selige Reich Gottes bringen wollte.