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38. Auferweckung des Lazarus.

Als der Herr sich wieder aus Jerusalem entfernt hatte und jenseits des Jordans sich aufhielt, erkrankte in Bethania Lazarus. Martha und Maria, seine Schwestern, ließen Jesu sagen: »Herr, den du liebhast, der liegt krank.« Jesus sagte es seinen Jüngern. Nach einigen Tagen aber sprach er zu ihnen: »Lazarus, unser Freund, schläft; aber ich gehe hin, daß ich ihn aufwecke.« Nämlich er war unterdessen gestorben. Deswegen sagte Jesus mit einem so milden und schönen Wort: »Er schläft.« Die Jünger erwiderten: »Wenn er schläft, so wird es besser mit ihm.« Denn sie nahmen es für den natürlichen Schlaf. Da sagte Jesus frei heraus: »Lazarus ist gestorben. Aber wir wollen zu ihm gehen.« Ehe sie Bethania noch erreichten, kam ihnen Martha entgegen. »Herr,« sprach sie, »wärest du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben.« Jesus antwortete ihr: »Dein Bruder wird auferstehen. Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe.« Jesus wollte noch nicht in den Ort und in das Haus gehen. Er ließ die Maria, die andere Schwester, in der Stille rufen. Er wollte mit den armen bekümmerten Gemütern allein reden. Es waren aber viele Freunde des Lazarus von Jerusalem im Haus, daß sie die Traurenden besuchten und trösteten, wie die Liebe zu tun pflegt. Als diese sahen, daß Maria aufstand und hinausging, sagten sie: »Sie will an das Grab gehen und weinen«, und gingen ihr nach. Also kamen sie mit ihr zu Jesu. Sie sprach auch wie ihre Schwester: »Herr, wärest du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben.« Alle weinten mit ihr — auch Jesu, dem Freund der Traurenden, gingen die Augen über. Als die Anwesenden es bemerkten, sprachen einige zueinander: »Siehe, wie hat er ihn so liebgehabt!« Andere aber meinten, da Jesus schon so große Wunder verrichtet hätte, so hätte er ja wohl auch verhüten können, daß Lazarus nicht gestorben wäre. Denn die menschliche Kurzsichtigkeit eilt mit ihren Urteilen immer den weisen göttlichen Führungen voraus.

Unterdessen ließ sich Jesus zu dem Grab seines Freundes führen und befahl, den Stein abzuheben. Es lag bloß ein Stein darüber. Martha wollte Bedenklichkeit dagegen machen, weil er doch schon vier Tage lang tot lag. Sie meinte, Jesus wollte den Verstorbenen nur noch einmal sehen, weil er ihm so lieb gewesen war. Jesus erwiderte ihr, daß sie die Herrlichkeit Gottes sehen werde, ein herrliches Werk der göttlichen Allmacht. Als nun der Stein abgehoben und die Gruft geöffnet war, in welcher der Tote lag, schaute Jesus zum Himmel auf und betete und rief alsdann mit lauter Stimme in das Grab: »Lazarus, komm heraus!« Da tat sich das Auge des Erblaßten zu einem neuen Leben auf; da erhoben sich seine Gebeine zu einem neuen Leben. Er kam hervor, wie wenn er nur geschlafen hätte, und kehrte nachher mit den Seinigen in ihre Wohnung zurück. Das war das herrliche Werk, das Jesus durch Gottes Kraft verrichtete, daß er den Toten zum Leben erweckte. Der Tod ist nur der Weg zu einem neuen Leben. Viele von den Begleitern der Maria glaubten nun an Jesum, als sie die Auferweckung des Lazarus gesehen hatten. Einige aber von ihnen meldeten in Jerusalem den Pharisäern, was Jesus getan hatte. Damals beschlossen die Priester und Pharisäer, ihn zu töten. Jesus aber entfernte sich in eine andere Gegend, bis sich das Osterfest nahete.