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30. Von dem Unbarmherzigen.

Es hielt ein König Rechnung mit seinen Knechten oder Dienern. Unter diesen kam ihm einer vor, der war ihm zehntausend Pfund zu bezahlen schuldig. Dies ist nach alter Geldrechnung eine sehr große Summe, die kaum ein Diener seinem Herrn ersetzen kann, wenn er sie veruntreut hat. Da nun der Knecht nicht hatte zu bezahlen, befahl der Herr, ihn, seine An- gehörigen und alles, was er hatte, zu verkaufen. Dazumal verkaufte man noch Menschen zu gezwungener Knechtschaft. Da fiel der Knecht nieder und betete und sprach: »Herr, habe Geduld mit mir! Ich will dir alles bezahlen.« Es erbarmte sich der Herr über ihn und ließ ihn frei und schenkte ihm die ganze Schuld.

Als dieser hinausging, begegnete ihm einer seiner Mitknechte, der ihm hundert Groschen schuldig war; diesen griff er an und würgete ihn und sprach ebenfalls: »Bezahle mir, was du mir schuldig bist!« Da fiel sein Schuldner auch vor ihm nieder und bat ihn: »Habe Geduld mit mir! Ich will dir alles bezahlen.« Aber er wollte sich nicht erbarmen, sondern ließ ihn gefangensetzen, bis er alles bezahlte. Als dieses die andern Diener des Königes sahen, wurden sie sehr betrübt und hinterbrachten ihm alles, was geschehen war. Da forderte sein Herr ihn vor sich und sprach: »Du Bösewicht, deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich batest. Solltest du dich denn nicht auch erbarmen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmet habe?« Darauf überantwortete er ihn in das Gefängnis, bis er alles bezahlte.

»Also«, spricht Jesus, »wird euch mein himmlischer Vater auch tun, so ihr nicht vergebet von Herzen ein jeglicher seinem Bruder seine Fehler.« Petrus fragte Jesum: »Herr, wie oft muß ich denn meinem Bruder vergeben? Ist’s genug siebenmal?« Jesus sprach zu ihm: »Ich sage dir: nicht siebenmal, sondern siebenzigmal siebenmal. Das heißt, ungezählt so oft, als du glauben kannst, daß ihn sein Fehler gereue. Auch der Gebesserte fehlt noch so oft, und Gott vergibt ihm täglich. Warum soll der schwache Mensch nur siebenmal vergeben?«